Interview mit
Udo Wachtveitl
(24.01.2025
BR
Filmbrunch München)
Zur Premiere des neuen
München-Tatorts "Charlie".
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© Joel Heyd |
Bayerische
Kultserien:
Herr
Wachtveitl, für die Ermittlungen im neuen Fall waren Sie auf einem
US-Militärgelände, auf dem ein großangelegtes NATO-Manöver mit
unzähligen Soldaten, zivilen Komparsen und schwerem Gerät aufgebaut war. Haben
Sie selber eigentlich gedient?
Udo
Wachtveitl:
Nein.
(überlegt) Doch, ich habe gedient, natürlich. Zivildienst im Krankenhaus.
B K:
Warum
haben Sie sich dafür entschieden?
U W:
Damals empfand ich
das als die sinnvollere Tätigkeit die 1 1/2 Jahre zu verbringen.
B K:
Mit dem "Tatort" sind Sie
schon zu vielen außergewöhnlichen und verrückten Drehorten gekommen. Was war für
Sie der gefährlichste Drehort?
U W:
Der gefährlichste
war wahrscheinlich absolut dieser Drehort beim aktuellen Fall. Wir hatten vorher
Instruktionen und Anweisungen, wo es hieß "Da nicht hingehen, hier auch nicht
und dort auch nicht!". Also eigentlich nirgendwo hingehen, wo es nicht explizit
erlaubt war. Dem Vernehmen nach liegen dort sehr viele Waffen mit
Detonationsmöglichkeit, oder alte Schrapnelle die vielleicht noch Spitz sind.
Uns ist nichts passiert, aber wahrscheinlich war das von der theoretischen
Gefahrenzumessung, der gefährlichste Ort, an dem ich je gedreht habe. Ansonsten
ist es immer gefährlich in der Nähe von Miroslav Nemec zu drehen, denn manchmal
hat er spontane Einfälle. Aufgrund dessen hat er mir mal einen Finger
angebrochen. (lacht)
B K:
Das müssen Sie jetzt
erklären.
U W:
Er
wollte mir bzw. dem Regisseur vorspielen, dass es doch eine Möglichkeit für
ihn wäre, an diesem Ort bei einem Schrottplatz, wo die Szene damals gespielt
hat, so heftig aufzuspringen, weil er etwas erschreckendes Entdeckt hat. Als
er das vorgeführt hat, stand ich hinter ihm. Tatsächlich war es also der
gefährlichste Ort im Umkreis von Miroslav Nemec, theoretisch der Drehort des
neuen Falls in Hohenfels. (lacht)
B K:
Und Hohenfels mit
Miroslav Nemec...
U W:
...ist
eine ganz gefährliche Sache. (lacht) Wir hatten aber wirklich immer
Leute, die auf uns aufgepasst haben, weil dort sehr viel mit schwerem Gerät
rumgefahren wurde. Parallel lief dort ja ein Manöver mit 6000 Soldaten.
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Bild: BR/Lucky Bird Pictures/Oliver Oppitz

Bild: BR/Lucky Bird Pictures/Boris Ausserer |
B K:
"Charlie"
ist Ihr 96. Tatort Fall und wir wissen ja auch, dass nach dem 100. Fall Schluß
sein wird. Als Sie 1989 in dieser Reihe das erste Mal den Kommissar Leitmayr
gegeben haben, hätten Sie sich da jemals vorstellen können, dass es so lange
werden wird?
U W:
Nein. Das war
weder unsere Absicht, noch unsere Vorstellung. Nach wie vor ist auch die
rechtliche Konstruktion so, dass wir von einem Film zum anderen entscheiden. Wir
wollten uns damals schon nicht für sechs Stück festlegen. Auch wenn mein
Sprüchlein dazu schon etwas abgenützt ist, stimmt es nach wie vor: Die
g'schlamperten Beziehungen sind oft die stabilsten.
B K:
Warum ist
der Tatort des Deutschen Lieblingskrimi?
U W:
Keine Ahnung. Es
gibt wahrscheinlich fünf bis sechs Gründe, die aber eigentlich auch auf andere
Produktionen zutreffen. Er konnte sich zu einer Zeit etablieren, als es noch
nicht so viel Konkurrenz gab. Danach ist er so ein bisschen sein eigener Mythos
geworden. Beim "Tatort" gibt es auch immer wieder Überraschungen zum Positiven
hin. Man weiß ungefähr, wozu man eingeladen wird, aber durch die regionale
Mischung, neuen Regisseuren und Autoren und weil es eben keine klassischen
Serienfolgen sind, gibt es immer wieder ein neues Licht darauf. Selbst wer nur
alle Tatort des BR oder explizit mit uns als Kommissaren anschaut, wird eine
große Bandbreite und Unterschiede finden. Manche sind eher humoristisch
angelegt, manche eher düster. Wieder andere sind klassische "Whodunits". Das ist
für mich eigentlich das Erfolgsrezept der Reihe.
B K:
Damals waren Sie
quasi der Jungspund. Die Fans kannten Sie z.B. aus der Serie "Zur Freiheit"
oder "Hans im Glück". Wenn man es sehr pathetisch ausdrücken möchte, dann
gelten Sie nun selber als "Ikone" des Tatorts. Wie sehen Sie das?
U W:
"Ikone"
ist nun wirklich ein großes Wort. Wenn man allein schon deshalb zur Ikone
wird, weil man etwas sehr lange macht, dann müsste es ja
Strassenbahnschaffner- und Handchirugen-Ikonen geben. (lacht)
B K:
Die sind vielleicht
aber nicht bei einem ganz so großen Publikum bekannt und beliebt.
U W:
(überlegt) Als Ikone sehe ich mich nicht. Wir haben immer versucht das
ordentlich zu machen. Das hören wir sogar von Regisseuren, die zum ersten
Mal mit uns arbeiten. Auch solche gibt's noch. (lacht) Die sind
erstaunt mit welchen Engagement wir dabei sind. Manchmal vielleicht auch
unangenehm, weil wir natürlich mitreden. Aber ich kenn es nicht anders, man
macht das halt so. So kommt eines zum anderen. Wie gesagt, hatten wir nicht
die lange Perspektive vor Augen, als wir angefangen haben. Irgendwann wird
es ganz normal. Wenn sie Kinder haben kennen sie das vielleicht. Die werden
geboren, man zieht sie auf und sie sind jeden Tag da. Irgendwann sind sie 20
Jahre alt, gehen aus dem Haus und sagen "Papa ich hasse dich". (lacht)
Oder hoffentlich auch etwas anderes. Man denkt sich "Wie ist das auf einmal
passiert?". Aber dadurch, dass es so langsame und graduell passiert, merkt
man es nicht so. Ich merke es jetzt natürlich deshalb, weil der "Kalli",
unser junge Kollege und nun Nachrücker ist. Aber mit ein bisschen Überblick
ist das auch erwartbar gewesen.

Bild:
BR/Bavaria Film/Thomas Klausmann
B K:
Gerade
beim "Tatort" gab es schon sehr große Namen. Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer,
Günther-Maria Halmer, Hans Brenner, um mal Ihre Vorgänger zu nennen. Sieht man
sich selber auch in einer Reihe mit diesen Schauspielern?
U W:
So wie wir den
Tatort und in meinem Fall die Rolle "Franz Leitmayr" angelegt haben, ist er
weniger am Volksschauspieler angelegt. Vom Sprachvermögen her, wäre ich einem
tieferen Bayrisch durchaus mächtig, aber vom Typ und der Figur her, bin ich kein
Volksschauspieler. Obwohl ich großen Respekt vor den guten habe. Bei Gustl
Bayrhammer, der in "Die Wiesingers" mal meinen Vater gespielt hat, fand ich
einfach seine Erscheinung immer großartig. Wenn er sich hinsetzte, dann saß da
wer. Bei anderen war nur der Stuhl besetzt. Er hatte eine ganz große Mitte und
war einfach auch ein richtig guter und toller Schauspieler. Und ohne Maschen. Es
gibt ja Volksschauspieler, die so ein bisschen in ihrer Masche gefangen sind.
Das war beim Gustl nicht so.
B K:
Ich nehme
an, von solchen Leuten nimmt man auch was für die eigene Karriere mit?
U W:
Das bleibt nicht
aus, man nimmt immer was mit. Man arbeitet mit ihnen die Szene und denkt: "Aha,
so macht der das jetzt. Er bleibt da einfach sitzen. Ah, er dreht den Kopf weg,
interessant". Zeit meines Lebens habe ich in allen Belangen immer versucht einen
analytischen Blick aufs Leben zu haben und wahrscheinlich war es unterbewusst
damals auch so.
B K:
Was hat
sich für Sie seit Ihrer Anfangszeit beim Tatort am meisten verändert zu heute?
U W:
Also was uns
betrifft, sind wir viel selbstverständlicher geworden, was kein Wunder ist. Am
Anfang haben schon manchmal ein bisschen gepumpt um diese große Jacke, die der
"Tatort" bedeutet, auszufüllen. Unser Spielstil ist jetzt selbstverständlicher,
weil man nicht in jeder neuen Folge beweisen muss, dass man drauf hat, sondern
etwas gelassener sein kann. Was die anderen Umstände angeht, finde ich, dass das
Drehen viel professioneller geworden ist. In meinen Anfangszeiten, noch Anfang
der 80er Jahre, da war es schon manchmal so, dass das Team etwas gemütlicher
reagiert hat und dann auch oft ein "Des mach ma jetza noch so und dann mach ma
Schluß" kam. Das ist jetzt professioneller und uhrwerkartiger. Natürlich auch,
weil es jetzt andere Typen sind. (überlegt) Es geht auf eine gewisse Art
kultivierter und im technischen Sinne auch spezieller.
B K:
Die
Filmlandschaft hat sich ja auch wahnsinnig entwickelt.
U W:
Ja, natürlich. Die
Auflösung, der internationale Wettbewerb, die Geschwindigkeit, da gibt es viele
Faktoren.
B K:
Der
"Tatort" beherbergt auch immer wieder bekannte Gäste und Namen. Gibt es jemand,
mit dem Sie gerne noch gedreht hätte?
U W:
Ja, Jimi
Hendrix zum Beispiel. (lacht) Der ist zwar kein Schauspieler, aber den
hätte ich gerne kennen gelernt.
B K:
Wenn Sie
in den "Tatort"-Ruhestand gehen, heißt das für Sie persönlich auch Ruhestand?
U W:
Ich glaube nicht.
Schauen sie, unsere Perspektive ist ja eine andere, als die der meisten
Zuschauer. Die meisten denken wahrscheinlich "Klar, die haben jetzt 35 Jahre
lang den Tatort gemacht", so wie ein anderer 35 Jahre den Schreinerberuf ausübt
oder Schulpsychologe ist. Die machen ja nichts anderes. Allerdings haben wir als
Schauspieler ja eh acht Monate im Jahr etwas anderes gemacht, insofern.
(lacht)
B K:
Man wird
Sie also nach wie vor noch auf Bühnen sehen oder bei Lesungen.
U W:
Ja, wenn es mir
gefällt sehr gerne. Ich bin wirtschaftlich unabhängig, was eine große Beruhigung
ist und ich mache was mir Spaß macht. Aber eigentlich war das schon mein ganzes
Leben so. Zufälligerweise hat das was mir Spaß gemacht hat, mich auch noch
ernährt. Da habe ich Glück gehabt.
B K:
Beim
Thema "Kultserien" muss ich Sie natürlich noch einmal auf ältere Produktionen
ansprechen. "Die Wiesingers" haben Sie vorher selber genannt und nach wie vor
sind Leute Fans von Serien wie "Zur Freiheit" oder "Hans im Glück". Warum
glauben Sie ist das so?
U W:
(überlegt)
Hm, vielleicht gab es nichts, was diese besonderen Ansätze ersetzt hätte.
B K:
Schauen
Sie sich denn Ihre alten Serien an?
U W:
Nein. Meistens
weiß ich auch gar nicht, wo man die sehen kann, aber ich schaue sie auch nicht.
Nicht aus Hass oder so. Ich habe die Serien damals gesehen und fand sie auch
gut. Selten passiert es, auch wenn ich jetzt keinen Titel nenne, dass wenn ich
eine dieser Kultserien von Früher irgendwo sehe, mir denke "Och, so gut war's
eigentlich gar nicht." (grinst) Manches bleibt natürlich, aber nicht
alles. So geht's mir auch mit manchen Schimanski-Filmen, der ja damals total
hochgehyped wurde und Einschaltquoten von über 60% oder so hatte. Wenn man sich
das heute anschaut, ist manchmal auch wirklich viel Männerkitsch dabei und auch
gewisse technische Fertigkeiten beim Verfilmen von Autoverfolgungsszenen haben
sich doch stark verbessert. (lacht) Früher ist man mit Dingen
durchgekommen, mit denen man heute nicht mehr bestehen könnte.
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"Hans im Glück" (1986)

"Zur Freiheit" (1987)
Bild: BR / Foto Sessner |
B K:
An welche
Serie von früher haben Sie denn die beste Erinnerung?
U W:
Da bin ich jetzt
wahrscheinlich ganz unoriginell, aber nach wie vor sind es die "Münchner
Geschichten", die ich richtig gut finde. Das sagt aber jeder und damit setzt man
sich auch nicht in die Nesseln, auch wenn das nicht der Grund ist, warum ich sie
nenne. Das hatte einfach eine Poesie und war seht eigen. Das ist glaube ich
heute schwierig herzustellen.
B K:
Haben Sie
mal mit Helmut Dietl gedreht?
U W:
Nein. Aber man
muss dazu sagen, er auch nicht mit mir. (lacht)
B K:
Und gibt
es eine Lieblingsserie von früher, bei der Sie dabei waren?
U W:
(überlegt)
Naja, also vielleicht jetzt nicht von der absoluten Qualität her, aber von der
Gaudi die wir hatten und von dem Geist, der sich da eingestellt hat, war es
"Hans im Glück" schon etwas, dass sehr viele Spaß gemacht hat. Das ist kein
großes Kunstwerk, aber vom Lebensgefühl, dass damit verbunden war, hat es schon
etwas getroffen.
B K:
Wir wir
ja von unserem Interview von früher her wissen, war der bekannte "Howgh"-Gruß ja
eine Idee von Ihnen.
U W:
Naja, sagen wir
mal so, die ritualisierte Form war so nicht im Drehbuch vorgegeben, die haben
wir dann noch verfeinert und spezialisiert. (lacht)
B K:
Vielen
Dank Herr Wachtveitl!
U W:
Bitteschön, gerne.
Tatort München: Charlie
Ausstrahlung: Sonntag, 2. März 2025, 20.20 Uhr, im Ersten
ARD Mediathek: Bis 2. März 2026
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