Interview mit Klaus Steinbacher

(01.10.2020 via Schalte/Kroatien)

© Joel Heyd

Bayerische Kultserien: Hallo Herr Steinbacher. Es freut mich, dass es trotz Auslandseinsatz (im Moment des Gesprächs für einen Dreh in Kroatien) mit einem Interview klappt.

Klaus Steinbacher: Ja, ich hoffe das W-Lan hält gut. (lacht) Und bitte gerne duzen! Ich bin der Klaus.

B K: "Oktoberfest 1900" ist gerade ein großer Renner und Erfolg im Programm der ARD. Die Kritiken und Reaktionen sind sehr gut. Hast Du damit gerechnet?

K S: Ich hab es natürlich gehofft. Auf jeden Fall habe ich mir gewünscht, dass sich der Spaß und die Energie, die wir beim Drehen hatten, auch auf die Zuschauer*Innen überträgt.

B K: Was macht den Erfolg aus? Die Story? Oder die Darsteller?

K S: (überlegt) Das "Oktoberfest" selbst ist schon mal eine Nummer und die moderne und irgendwie „coole" Erzählweise macht die Serie besonders. Die Autoren (Headautoren: Ronny Schalk, Christian Limmer) haben sich beim Schreiben viel getraut. Weil die Bücher dementsprechend große Lust auf das Projekt gemacht haben, schmissen sich alle Beteiligten mit voller Energie rein. Zum Beispiel unser Regisseur Hannu Salonen und unser DOP Felix Kramer. Deren Begeisterung am Set war wirklich ansteckend.

B K: Jetzt hast Du bei "Das Boot" ja auch schon Erfahrung mit tollen Kulissen und Ausstattung gemacht. Wie ist das, wenn man Sowas spielt?

K S: Total verrückt eigentlich. Bei beiden Produktionen. Bei "Das Boot" mussten wir uns im Inneren des U-Boots ganz anders bewegen, weil es so verdammt eng war. In beiden Fällen hat mich am Szenenbild die Liebe zum Detail fasziniert. Es gab immer etwas Neues zu entdecken. Vor allem natürlich auf unserer „Wiesn". Und wenn das drumherum derartig stimmt, dann macht es gleich viel mehr Spaß und wir müssen „nur" noch spielen.

© Foto: ARD Degeto/BR/MDR/WDR/Zeitsprung Pictures GmbH

B K: Macht das dann wirklich schon so viel aus?

K S: Total! …Die Kostüme auch. Hosenträger, alte Schuhe mit Absätzen (lacht). Da lauf ich gleich ganz anders.

B K: Du hast ebenfalls auch mit "Das Boot" schon Erfahrung gemacht mit einer Serie für einen Streaming-Dienst. Gibt es da einen Unterschied zu einer Produktion für's Fernsehen?

K S: (überlegt) Naja, ich habe noch nie so teure Geschichten für's TV gemacht. Ich denke der Aufwand bei einer großen Fernsehproduktion wäre bestimmt ähnlich. Der war eben bei "Das Boot" und auch bei "Oktoberfest 1900" enorm und das merkt man natürlich direkt.

B K: Verspürt man dann auch mehr Druck?

K S: Druck verspüre ich immer. (lacht) Den mache ich mir aber eigentlich selber, wenn ich solche Rollen spielen darf. Bei "Oktoberfest" hat mich die Entwicklung meiner Figur "Roman" sehr berührt und der Rolle gegenüber habe ich eine Verantwortung gespürt. Da will ich dann alles dafür geben, dass ich dem gerecht werde.

B K: Konntest Du Dich in die Figur auf Anhieb gut reindenken?

K S: Ja! Mir hat das Kämpferische gut gefallen und die Beziehung zu seiner Mutter hat mich sehr gerührt. Von vornherein fand ich auch die Liebesgeschichte zwischen ihm und Clara Prank besonders. Die Beziehung der beiden ist für mich immer der Lichtblick für Roman gewesen.

B K: Roman ist ja in der Serie nicht nur der "brave Bua"...

K S: Das finde ich allgemein mitreißend an "Oktoberfest 1900", dass viele Figuren eigentlich gut sind und das „Richtige" wollen, auf ihrem Weg dahin aber auch „böse" Sachen machen. Die Zuschauer*Innen können diese „dunklen" Seiten vielleicht trotzdem verstehen, weil die Figuren besonders starke Ziele verfolgen. Und so ist es mir auch mit dem Roman gegangen.

B K: Stichwort gute Autoren: Es gab oder gibt ja mit "Hindafing" im Bayerischen Rundfunk z.B. auch eine Serie der etwas härteren Gangart. Etwas, das Du auch gut findest?

K S: Ja, total. Die Serie traut sich auch einiges, was mir sehr gefällt. Zusätzlich sind wahnsinnig tolle Kolleginnen und Kollegen dabei. Es hat mir großen Spaß gemacht, die Serie zu schauen.

B K: Es ist schon toll, wenn sich an solche Stoffe herangetraut wird. Etwas das ja oft auch in Richtung der Sender bemängelt wurde.

K S: Ich finde momentan vor allem diese neue "Coolness" toll, die man sich jetzt sowohl bei "Hindafing" als auch bei "Oktoberfest 1900" zugetraut hat. Dass auch Dialektformate auf coole und moderne Art erzählt werden können. Einmal durch komplexe und kämpferische Figuren, aber auch durch einen düsteren Look.

B K: Jetzt spreche ich hier ja mit jemanden, der schon bei "Wer früher stirbt ist länger tot" mitgespielt hat. Einem Film von Marcus H. Rosenmüller, der von vielen als der Beginn einer "neuen bayerischen Welle" gesehen wird. Bei "Oktoberfest 1900" bist Du auch wieder mit Markus Krojer vereint, der Deinen Bruder spielt. Wie siehst Du die Entwicklung der bayerischen TV- und Serienlandschaft seitdem?

K S: Bei Vielem, was der Rosi gemacht hat, auch noch nach "Wer früher stirbt ist länger tot", treten ganz authentische und bodenständige Charaktere auf. Das mag ich persönlich besonders gerne. Ich finde auch die „Beste Zeit, Gegend, Chance"- Filme super. Da wird von Figuren erzählt, die ich in ähnlicher Form von früher und zuhause kenne. Bezüglich der allgemeinen Entwicklung von bayerischen Filmen und Serien würde ich mir wünschen, dass der Dialekt noch abwechslungsreicher und teilweise radikaler verwendet wird. Es muss nicht immer ein „Verständnisfilter-Filter" drübergelegt werden, der den Figuren und der Geschichte die Glaubwürdigkeit nehmen kann. Das gilt allerdings nicht nur für das Bairische, sondern auch für alle anderen Dialekte. Genauso geht es mir mit Akzenten und anderen Sprachen.

B K: Trotzdem wird die Serie unter dem Titel "Beer and Blood" bei Netflix auch ein internationales Publikum erreichen.

K S: Dafür ist sie auch absolut gemacht. Wir haben beim Drehen schon gewusst, dass wir nicht nur für Bayern oder Deutschland erzählen, sondern im Optimalfall für die ganze Welt.

B K: Du hast ja auch schon hochdeutsche Rollen gehabt. Spielst Du lieber im Dialekt?

K S: Nein, ich spiele genauso gerne Hochdeutsch bzw. Standarddeutsch. Ich habe sogar große Lust, nicht bayerisch zu spielen. Die Abwechslung macht’s!

B K: Wie hat das bei Dir überhaupt angefangen mit der Schauspielerei? War der Rosi bei "Wer früher stirbt ist länger tot" Dein Entdecker?

K S: (überlegt und lacht) Ja, das war meine erste Filmerfahrung und dafür wurde ich tatsächlich vom Schulhof weggecastet. Ich war wohl wieder mal wahnsinnig laut auf dem Pausenhof. Stefanie von Poser, die damals für den Film „gescoutet" hat, lud mich zum Casting ein und ich war direkt sicher: "Mama und Papa, ich werde Schauspieler!". (lacht) Auf jeden Fall habe ich dann diese Nebenrolle bekommen und da war der Rosi auch der ideale Regisseur, weil er wahnsinnig gut Kinder inszenieren kann. Der spielt einem dann die Szenen vor und überträgt seine wahnsinnige Energie auf alle. Danach durfte ich in einigen bayerischen Filmen und Serien spielen: "Rosenheim Cops", "Weißblaue Geschichten" und "Soko München" z.B. Schließlich habe ich dann die Rolle für eine KIKA-Serie bekommen und bin dort auch regelmäßig vor der Kamera gestanden. Da ist es dann losgegangen für mich mit Coachings und den Gedanken an eine Schauspielschule. Ich habe in der Zeit auch erst so richtig „hochdeutsch" gelernt, obwohl ich die Rolle schon hatte. (lacht) Aber es hat funktioniert. Nach dem Abitur bin ich auf die Schauspielschule „Theaterakademie August Everding". Dort wurde mir dann der Rest in Sachen Bayerisch ausgetrieben. (lacht) Ich wollte mich auf diese Ausbildung konzentrieren und habe wenig gedreht, aber dafür meine Liebe zum Theater entdeckt. In meiner Zeit an der Akademie habe ich nur einmal eine Bairisch sprechende Figur gespielt. Und dafür habe ich den Rosi angerufen und gefragt, ob er einen Monolog von mir für die Bühne inszenieren möchte. Das war aus Tschechows "Der Kirschgarten", den Lopachin auf Bairisch. Den habe ich beim Absolventen Vorsprechen am Ende gemacht und bald danach kam "Das Boot".

B K: Also beim Rosi dann auf jeden Fall schon Blut geleckt für den Beruf...

K S: Kann man schon so sagen. Und danach auch immer wieder. Am Anfang war es noch so entspannt mit der Schule nebenbei. Da war es eigentlich nur cool, dass ich nicht immer in die Schule gehen musste. (lacht) Im Jahr ein paar Wochen weg sein und drehen dürfen. Der Rest war erstmal gar nicht so wichtig. Erst gegen Ende der Schulzeit musste ich überlegen, was ich nach dem Abi machen will. Probier ich das mit dem Schauspiel oder mach ich lieber was „Normales". Ich habe mich gegen „normal" entschieden (grinst).

B K: Was wärst Du denn sonst vielleicht geworden?

K S: Das war ja das Problem: Ich hatte nicht wirklich Alternativen, deswegen war die Entscheidung schnell gefallen. Das mit dem Mangel an Alternativen ist nach wie vor so. (lacht)

B K: Wie war denn das Wiedersehen mit Markus Krojer?

K S: Wir haben uns nie aus den Augen verloren und immer wieder mal getroffen. Es hat großen Spaß gemacht, wieder mit dem Markus zu spielen! Ich mag die Szenen in der Serie total gerne, die wir beide miteinander haben.

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B K: Ein junger Kollege von Dir, aber wie auch bei "Hindafing" schon, gibt es auch bei "Oktoberfest 1900" eben die schon älteren etablierten Kollegen, die dort durchaus andere Seiten als sonst zeigen können. Wenn ich z.B. an die Rolle von Martina Gedeck oder Hans Stadlbauer denke, macht das eine Produktion auch noch mal besser? Maximilian Brückner ist ja auch mittlerweile schon ein alter Hase...

K S: Oh! Das wenn er hört! (lacht) Ja bestimmt. Ich war schon beim Spielen begeistert von meinen Kolleginnen und Kollegen.

B K: Kann man sich da etwas abschauen, oder helfen einem auch solche Kollegen am Set?

K S: Da hilft dir keiner. (lacht) Abschauen, ja. Auf jeden Fall. Im Spiel mit Kolleginnen und Kollegen kann ich immer etwas lernen. In dem Fall habe ich nochmal verstanden, wie wichtig es für mich als Schauspieler ist, für meine Figur zu kämpfen. Das habe ich bei den anderen gesehen, das hat mich beeindruckt und das habe ich mir gemerkt.

B K: Es gab im Vorfeld auch Kritik zur Serie. Die Wiesnwirte bemängelten, sie würden damit in ein schlechtes Licht gestellt werden. Wie siehst Du das?

K S: Naja, unser Anspruch war nicht, dokumentarisch darzustellen, wie schön die Wiesn 1900 war. Es ist ganz klar, dass die Geschichte fiktiv ist. Das merkt man sobald es losgeht. Wenn die Wirte sich ein bisschen auf den Schlips getreten fühlen, dann tut es mir leid. Aber sicher ist auch, dass manche Teile unserer Geschichte nicht nur ausgedacht sind. Wenn es um viel Geld geht, ist meistens auch Korruption im Spiel. Und es war tatsächlich so, dass es um 1900 rum einen heftigen Kampf zwischen den Bierbrauern gab. Vielleicht war der nicht so blutig und es wurde nicht über Leichen gegangen, aber die Reicheren haben die Ärmeren ausgestochen. Das erzählen wir halt überspitzt und das finde ich auch in Ordnung.

B K: Ich hatte nach der Serie eigentlich sogar wieder mehr Lust auf die Wiesn zu gehen...

K S: Das habe ich mir auch gedacht, dass es einige Momente gibt, die Lust machen auf die Wiesn.

B K: Bist Du denn ein Wiesngänger?

K S: Ja. Ich habe den Regisseur Hannu Salonen auf der Wiesn kennen gelernt. (grinst) Da sieht man, wie Projekte ineinander greifen. Ich war mit der Produktion von "Das Boot" auf der Wiesn eingeladen, war aber vorher noch am Theater „Schauburg" am Elisabethplatz beschäftigt und wollte danach nur noch kurz bei den Kollegen vorbeischauen und noch eine Maß trinken. Die letzte Viertelstunde der Reservierung hatte ich noch erwischt und vielleicht einen Schluck getrunken, als der Hannu kam und mich angesprochen hat. Wir haben uns dann gleich länger über die Serie und die Rolle Roman unterhalten und er hat mich zum Casting eingeladen.

B K: Also auf dem Oktoberfest für das "Oktoberfest" engagiert worden?

K S: Naja, ich musste danach noch vorsprechen und mich beim Casting beweisen. Aber das erste Mal habe ich auf der „echten" Wiesn von dem Projekt erfahren. Das war wirklich schräg.

B K: Hauptsache Du hast es am nächsten Tag noch gewusst.

K S: Gewusst habe ich es schon noch, geglaubt aber nicht. (lacht)

B K: Was man so liest, gibt es einige, die sich eine zweite Staffel von "Oktoberfest 1900" wünschen. Wie sieht es da aus? Das Ende der Serie würde das ja offen lassen.

K S: Die Macher*Innen wären bereit und ich denke die meisten von uns hätten Lust darauf. Wenn es weiter gehen würde, dann wäre auch für meine Figur noch viel drin. Ich würde den Roman gerne nochmal spielen und erleben, wie es weitergeht.

B K: Gibt es für Dich eine bayerische Lieblingsserie, die Du gerne anschaust?

K S: Boah. (überlegt) Das ist ganz schwierig, denn es gibt so viele. (überlegt weiter) Also ich finde Gustl Bayrhammer so wahnsinnig toll und deswegen auch "Pumuckl". Habe ich auch als Kind rauf und runter geschaut und vor allem gehört. Ich finde aber auch "Irgendwie und Sowieso" super. (überlegt) Oder den "Monaco Franze" und "Kir Royal". Ich sollte eigentlich eine nennen, oder? (lacht) Ok, dann ist es "Pumuckl", hauptsächlich wegen Gustl Bayrhammer.

B K: Klaus vielen Dank für Deine Zeit und viel Erfolg noch für Deinen Dreh in Kroatien.

K S: Hat mich auch sehr gefreut. Bleib gesund.

 

Oktoberfest 1900

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