Bayerische Kultserien:
Herr Nemec, es ist jetzt tatsächlich schon der 93. Tatort mit Ihnen als
Kommissar. Das bedeutet, der 100. ist nicht mehr so weit weg.
Miroslav Nemec:
Zwei
weitere sind schon abgedreht, weiteres ist in
Planung. Mehr kann man dazu nicht sagen.
B
K:
Wie sehr
haben sich die Bedingungen beim Drehen, seit Ihrem ersten Tatort von 1991
bis heute geändert?
M N:
Eigentlich
haben wir schon im November/Dezember 1989 für unseren ersten Tatort gedreht.
Zwei weitere wurden im Jahr 1990 produziert. Tatsächlich wurde unser erster
Film dann am ersten Januar 1991 ausgestrahlt. Wir hatten zu dem Zeitpunkt
ca. 24 Drehtage pro Folge und haben davon zwei pro Jahr gemacht. Dann kam
die Wende und seit dem haben wir drei pro Jahr gemacht. Als unsere ersten
Tatorte 1991 im Fernsehen liefen, hat man uns schon angeboten für sechs
weitere zu unterschreiben, was drei weitere Jahre bedeutet hätte. Udo
Wachtveitl und ich haben dann gesagt „Na, des mach ma auf keinen Fall. Des
is zu lang, wer weiß was kommt.“ Und wir wollten auch die Drehbücher erst
lesen und dann entscheiden. Bis heute ist das so geblieben. Lustigerweise
findet dieser „Kuhhandel“, oder wie Udo sagen würde dieses „gschlamperte
Verhältnis“ nun zum 93. Mal statt. (lacht) Verändert hat sich
insofern nichts, als das es immer dieses Vertrauen gab. Geblieben ist auch,
dass man uns nie reingeredet hat oder uns vorgeschrieben wurde, was wir
machen sollen. Die Kosten drum herum sind gestiegen. Inflation, Motive,
Equipment, alles ist teurer geworden. (überlegt) Und vielleicht hat
sich manchmal auch eine bestimmte Erwartungshaltung eingeschlichen. Nach dem
Motto: „Der Tatort läuft sowieso!“, was ich für fatal halte. So denken wir
auf keinen Fall. Jeder Tatort ist ein neues Produkt und muss mit größter
Behutsamkeit und größter Energie umgesetzt werden. Heutzutage gibt es so
viele Formate, dass man sich fast verlieren kann. Vielleicht sind nicht alle
qualitativ so gut, aber man muss trotzdem für sein Produkt „klappern“, wie
man es bei uns in der Branche nennt.
B K:
Obwohl der Tatort ein bestimmtes Privileg ist…
M N:
Genau. Wir
müssen trotzdem jedes Mal versuchen so gut wie möglich zu sein und es
glaubwürdig umsetzen.
B K:
In
den Filmen waren schon immer bekannte Gesichter und Schauspieler zu sehen.
Im Neuesten sind mit Veronica Ferres und Wolfgang Fierek zwei dabei, mit
denen Sie ja schon beim Tatort gedreht haben.
M N:
Ja, mit
beiden. Ich freue mich da natürlich, es sind beides Profis und sie bringen
tolle neue Farben mit rein. Beide spielen Rollen, die nicht unbedingt
Sympathieträger darstellen. Das finde ich großartig.
B K:
Herr Nemec, als Sie beim Tatort angefangen haben, da waren Sie zusammen mit
Ihrem Kollegen Udo Wachtveitl, die junge, wilde Gilde.
M N:
Kann man
so sagen.
B K:
Nun
sind Sie da eher der „alte Hase“.
M N:
Das bleibt
im Leben nicht aus. (lacht) Man lernt viel dazu, aber trotzdem bleibt
es frisch. Wir haben immer wieder neue Inhalte, neue Geschichten und neue
Kollegen. Wir sind immer noch wild darauf, uns auseinanderzusetzen und alles
richtig zu machen. Insofern spüren wir das Alter noch nicht unbedingt. Was
wir nicht mehr so gerne haben, ist sehr viel zu laufen, womöglich bei
Nchtdreharbeiten. (lacht) Es geht schon noch, wird aber anstrengend
und muss nicht mehr unbedingt sein. Das sind dann aber eher körperliche
Geschichten und darauf wird nicht immer Rücksicht genommen. (grinst)
B K:
Wir
haben schon über bekannte Namen beim Tatort gesprochen. Gibt es für Sie
jemanden, mit dem Sie noch nie gedreht haben, aber gerne mal arbeiten
würden?
M N:
Mit Burt
Lancaster, Paul Newman oder Robert De Niro…
-
Kollege
Ferdinand Hofer kommt zum Interview hinzu –
M N:
…oder mit
Ferdinand Hofer. Ach da ist er ja. (lacht)
Ferdinand Hofer:
Hallo
zusammen. Ja,
Robert De
Niro wäre schon eine Hausnummer, aber da ist natürlich die Frage, wie
erreichbar das ist. Gottseidank haben wir beim Tatort immer mal wieder die
Gelegenheit, mit tollen Schauspieler*innen zu arbeiten.
M N:
Was den
Wunsch angeht, wären das bei mir lieber Regisseure, als Kollegen. Das ist
für uns als Schauspieler eigentlich das interessantere finde ich, weil man
mit jedem anders arbeiten kann.
B K:
Herr Hofer, wir hatten vorher festgestellt, dass Veronica Ferres 1993 das
erste Mal mitgespielt hat. In dem Jahr wurden Sie geboren. Wie ist es für
Sie mit so erfahrenen Kollegen zu drehen oder überhaupt bei so einer
Institution wie dem Tatort dabei zu sein, auch wenn Sie jetzt selber schon
10 Jahre teil davon sind?
F H:
Es ist
trotzdem wahnsinnig toll in diesem Format mitzuspielen, das eine solche
Prominenz im deutschsprachigen Raum hat. Und dann noch in einem der
beliebtesten Teams… (schielt zu Miroslav Nemec)
M N:
Was
möchtest Du trinken? (lacht)
B K:
Im
neuen TATORT geht es, wie der Name schon sagt, um „Königinnen“. Wer von
Ihnen war schon mal bei einer Misswahl oder der Prämierung einer
Produktkönigin dabei?
© Luis Zeno Kuhn /
BR
F H:
Noch nie.
M N:
Nein. Ich
habe nur mal bei einer Wahl mitgemacht, da ging es um „Mister Sympathikus“
und wir sind selber angetreten und wurden von den Frauen bewertet.
(lacht) Im neuen Fall ist es umgekehrt.
B K:
Wenn es einen bayerischen Produktkönig geben würde, für welches wären Sie
denn geeignet?
M N:
Ich bin
bei Getränken immer sehr interessiert. Wein oder Bier. Da wäre vielleicht
eine Sache, bei der man hier in München durchaus etwas daraus machen könnte.
Im damaligen Hippodrom-Zelt habe ich während des Oktoberfests auch mal
angezapft.
F H:
Also ein
„Bierkönig“. (lacht) Abstrus finde ich tatsächlich so etwas wie
„Karpfenkönig“, den es tatsächlich gibt.
M N:
Ernährungstechnisch könnte man natürlich auch dem Zeitgeist entsprechend
einen „Algen-„ oder „Insektenkönig“ einführen.
F H:
„Proteinkönig“…
B K:
Wir
halten das mal als offizielle Bewerbung fest. Auch im neuen Tatort hallt es
durch, dass man dieser Art der Prämierungen auch kritisch gegenüberstehen
kann. Ist so etwas aus der Zeit gefallen oder wirklich eine gute Möglichkeit
für Frauen ihre Kompetenz zu zeigen?
M N:
Ich habe
eine Mail von einer „Mostkönigin“ aus Franken bekommen. Die machen ein
Public Viewing und freuen sich schon auf den „Königinnen“-Tatort. Sie hat
explizit in der Mail geschrieben, wie stolz sie sind so etwas zu machen.
Insofern nehmen die das wirklich sehr ernst. Es ist für sie eine Ehre, das
Produkt für ihre Region bzw. ganz Bayern zu präsentieren und die Events
mitzuerleben. Das ist also eine positive Sache. Für den Tatort mussten wir
aber daraus einen Kriminalfall machen.
F H:
Ich glaube
man muss es immer aus zwei Perspektiven sehen. Wenn man nicht in diesem
Geschäft ist, dann erscheint es vielleicht für Außenstehende etwas komisch.
Wenn man die Dinge, die bei uns im Tatort passieren, mal ausklammert, weil
die so nie passieren dürfen, dann erfährt man, dass es für die Königinnen
persönlich etwas sehr Besonderes ist. Da steht es uns als Außenstehender
eigentlich nicht zu das zu beurteilen oder zu belächeln.
M N:
Es hat ja
auch etwas mit Nachhaltigkeit und heimischen Produkten zu tun. Das darf man
nicht vergessen.
B K:
Herr Hofer, Ihre Rolle hat im neuen Fall, mit vielen hübschen Damen, ja auch
so ein bisschen damit zu kämpfen, professionell zu bleiben…
M N:
Das war
rein privat. (lacht)
B K:
…wie war es für Sie persönlich?
F H:
Wir hatten
glaube ich noch nie bei einem Tatort so viele Kompars*innen und
Laiendarsteller*innen vor der Kamera. Da war nach spätestens dem vierten
Drehtag ein richtig schönes Gemeinschaftsgefühl. Außerdem waren alle mit
sehr viel Engagement und Eigenleistung dabei. Das fand ich einzigartig und
besonders. Abgesehen davon wie es im Film erzählt wird, fand ich das toll
und es hat sich sehr familiär angefühlt.
M N:
Jetzt lenk
nicht ab. Es geht darum wie Du mit den Mädels zurechtgekommen bist.
(beide lachen) Bei mir ist das ja eindeutig: väterlich. (lacht)
© BR/Odeon Fiction
GmbH/Luis Zeno Kuhn
B K:
Herr Hofer, in der Eberhofer-Reihe, bei der Sie ja auch eine durchgehende
Rolle haben, drehen Sie viel auf dem Land, wo der neue Fall ja auch spielt.
Meine Frage an Sie beide: Wo ermitteln Sie lieber? In der Provinz oder auf
dem Land?
F H:
(überlegt)
Wenn man jetzt die Formate vergleicht, dann hat die Herausforderung weniger
mit der Ländlichkeit zu tun, sondern mit dem Anteil der komödiantischen
Elemente. Ich merke aber, wenn wir mit dem Eberhofer z.B. oft in
Frontenhausen und Umgebung drehen, dann wird man da total herzlich
empfangen. Das ist natürlicherweise in der Stadt einfach nicht so gegeben.
M N:
Dadurch,
dass wir den Tatort meistens in der Stadt drehen, hatten wir schon öfter das
Bedürfnis, mal aus dem S-Bahn-Bereich zu kommen. Es muss ja nicht gleich in
den hessischen Sumpfniederungen, wo übrigens meine Kollegin Rita Russek
herkommt, damit haben wir sie immer aufgezogen. Aber zurück zum Thema:
In der ländlichen Gegend, die ich nicht gerne Provinz nenne, gehen die
Leute schon noch positiver oder freundlicher auf einen zu, weil es für sie
halt auch nicht alltäglich ist. Oder wie der Udo so schön sagt: „In München
ist jeder selbst ein Star.“ (lacht) Wir sollten unbedingt noch
anbringen, dass jetzt mal Kroatien angesagt wäre. Ein schöner Stranddreh,
das kann ja nicht so teuer sein. (beide lachen)
B K:
Das
schlagen wir für Ihren 100. Tatort vor Herr Nemec. Herr Hofer, könnten Sie
sich vorstellen, auch irgendwann mal den Kriminalhauptkommissar zu geben?
F H:
Als
„Kalli“ bin ich ja jetzt Oberkommissar. (überlegt) Das eine ist ja
quasi nur ein Titel bzw. ein Rang. Das andere ist ja die Figur, die dahinter
steckt. Als Titel steht beim Kalli bestimmt irgendwann der Hauptkommissar
an. Ich als Schauspieler bekomme jetzt schon viele unterschiedliche
Möglichkeiten mich zu präsentieren. Diese Herausforderung macht mir sehr
viel Spaß. Solange das so ist, mache ich das auch weiterhin sehr gerne.
B K:
Hatten oder haben Sie ein schauspielerisches Vorbild?
F H:
(tut als
würde er stark überlegen)
…da gibt es einen…der heißt M…iroslav Nemec oder so. (beide lachen)
M N:
Danke für
dieses lange Überlegen. (lacht)
F H:
Es gibt
immer wieder verschiedene. Es ist ja auch nicht immer die Person, sondern
auch die Figuren, die gespielt werden. Ein Leonardo De Caprio ist in der
Rolle des „Wolf of Wall Street“ vielleicht perfekt, in einer anderen
vielleicht wieder nicht. In dem Fall ist dann eben er, oder auch ein
Christoph Waltz in „Django Unchained“ ein Vorbild. Und natürlich nicht zu
vergessen: Miroslav Nemec, der es im Tatort ganz großartig macht. (lacht)
M N:
Ich bin
auch hier wieder eher bei einem Regisseur, der die Möglichkeit erkennen
muss, daraus etwas zu kreieren. Wenn er dir die Plattform gibt, so gut wie
möglich sein zu können. Begabt sind sicherlich viele, aber das Beste aus
sich herauszuholen ist die große Herausforderung.
B K:
Mittlerweile gibt es auch durch die Streaming-Anbieter viele Möglichkeiten
für die Zuschauer. Wie sehen Sie diese Entwicklung im Hinblick für so eine
Sonntagabend-Institution wie den TATORT?
F H:
Meiner
Meinung nach kann es ja nicht genug Angebote geben. Als Zuschauer hat man
dann ja nur die Qual der Wahl. Tendenziell sollte das auch die Qualität eher
fördern, denn wenn man die Auswahl hat, dann entscheidet man sich für das,
was einem gut gefällt. Ich sehe das eher als Wettbewerbsmotor.
M N:
Es gibt
natürlich schon noch nach wie vor die Generation, die sich gerne an
gewohnten Ritualen und Sendezeiten festhält. Die sehen sich das nicht gerne
im Streaming oder in der Mediathek an. Aber das ist eine Gewohnheit, die
sich sicher in Zukunft noch weiter verändern wird.
F H:
Ein Tatort
beweist ja auch, dass ihn die Mehrheit noch um 20:15 Uhr anschaut und nicht
in der Mediathek. Deswegen ist es nach wie vor gut, dass es alle
Möglichkeiten gibt. Solange es nachgefragt wird, hat auch diese Struktur
ihre Daseinsberechtigung.
© BR/Bavaria Film/Rolf von der Heydt
B K:
Gerade beim TATORT, als großer Sonntagabend-Event, schauen die
Fernsehkritiker immer ganz genau hin. Wie geht man als Schauspieler damit
um?
M N:
Schlecht.
Wenn die Kritiken ins Negative tendieren, dann geht man natürlich nicht so
gut damit um. Ich möchte immer gute Kritiken haben. (beide lachen)
Alles andere wäre gelogen, ist doch ganz klar. Ich wünsche mir gute Quoten
und gute Kritiken, aber vor allem ist mir wichtig, dass unser
Qualitätsanspruch erfüllt wird.
F H:
Ich finde
auch. Natürlich freut man sich über positive Kritik. Bei negativer, kommt es
eben darauf an, ob sie konstruktiv ist. Oftmals wird es sehr persönlich und
dann ist sie eigentlich einfach nur unnötig.
B K:
Ist
das unangenehm, wenn einen Leute darauf ansprechen?
M N:
Ich kann
mich an einen Tatort erinnern, der eine super Besetzung und auch eine gute
Story hatte, der aber mit seiner Geschichte sehr kompliziert war. Als dieser
ausgestrahlt wurde, habe ich zum ersten Mal bei einem Public Viewing
mitgemacht. Es war ein voller Laden und ich saß natürlich ganz vorne. Der
Film fing an und ich dachte schon nach den ersten Minuten „Ui, das ist so
geschnitten, da werden es die Leute schwer haben, der Geschichte zu folgen.“
Am Ende, als der Film aus war, gab es im Publikum keine Reaktion außer
Stille. Ich hab mich dann zügig auf die Toilette verabschiedet. (lacht)
Das war mein erstes und letztes Public Viewing glaub ich. (lacht)
F H:
Das ist
eigentlich ein ganz guter Punkt. Es hat positive und negative Seiten als
Schauspieler. Wenn es gut läuft, dann bist du cool, obwohl viele andere
vielleicht einen wesentlicheren Beitrag geleistet haben als man selber. Wenn
es andersrum läuft, dann wird man am meisten dafür verantwortlich gemacht.
M N:
Nach dem
Motto: „Wos habts denn da wieder draht!“ (grinst)
F H:
Genau.
Dafür ernten wir dann die Lorbeeren, wenn es gut ist. (grinst)
B K:
Das
muss man dann auch aushalten.
M N:
Freilich.
Aushalten muss man sowieso alles. Da sind schon Nerven wie Drahtseile
gefragt. Nicht gefühllos sein, das wäre falsch. Aber man muss drüber stehen
und auch das Scheitern lernen. So kann man diesen Beruf ausüben.
B K:
Meine Abschlussfrage: Gibt es von Ihnen beiden eine bayerische
Lieblingsserie?
F H:
Ich hätte
jetzt „Monaco Franze“ und „Irgendwie und Sowieso“ gesagt.
M N:
(überlegt)
Ich selber hab ja bei „Die Wiesingers“ mitgespielt, aber es gab da noch
diese andere Familiengeschichte… „Löwengrube“! Die war sehr gut. Meine
jüngste Tochter ist 11 Jahre alt und ich muss alle „Hubert und
Staller“-Folgen schauen. (lacht) Gestern habe ich erst den
Michael Brandner (spielt in der Serie Raimund Girwidz) getroffen und ihm
gesagt: „Michi, ich kenne jetzt alle Folgen!“. „Das tut mir leid.“
meinte er. (lacht) Ich sagte „Nein, die sind wirklich witzig!“
Natürlich schaue ich aber auch gerne die Eberhofer-Filme. |
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F H:
Wer
gefällt dir denn da besonders gut?
M N:
Da gibt es
so einen jungen…der da einen jungen Polizisten spielt. Keine Ahnung wie der
heißt. (beide lachen)
B K:
Man
merkt: Die Gegenseitige Wertschätzung ist immens. Vielen Dank für das
Gespräch.
F H:
Ebenfalls.
M N:
Danke
ihnen auch.
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