Bayerische Kultserien:
Herr
Maier, als ich Ihren ehemaligen Kollegen Sepp Schauer nach dem Geheimnis des
Erfolges der Iberl Bühne gefragt habe, gab er mir zur Antwort: „Der Maier hat
halt schon immer ein Händchen für gute Schauspieler gehabt!“. Ein schönes
Kompliment oder?
Georg Maier:
Ja, das ist
sehr nett. Offensichtlich habe ich wirklich eine gute Hand dafür.
B K:
Womit
begründen Sie den Erfolg der Iberl Bühne?
G M:
Mei, wenn ich
das begründen könnte, dann würde ich ein Patent dafür anmelden. (lacht)
Es ist jedes mal wieder neu und man geht mit jedem neuen Stück wieder ins kalte
Wasser. Man versucht sich halt immer wieder zu verbessern und im Gegensatz zu
vielen anderen im Sektor Volkstheater Qualität zu bieten. Aber wirklich
spezielles Geheimnis gibt es nirgends. Auch bei den größten Regisseuren, die die
größten Filme machen, ist irgendwann mal ein Flop dabei. Man muss es immer
wieder ausprobieren. Ein Patent gibt es nicht.
B K:
Wissen
Sie wieviel Bühnenstücke Sie bisher geschrieben haben?
G M:
Ja, haben wir
das letzte Mal erst nachgezählt. 38 Stück…wobei, jetzt kommen nochmal welche
dazu, dann sind es schon über 40.
B K:
Wissen
Sie auch noch wie oft Sie bisher selber auf der Bühne gestanden sind?
G M:
Oh… (denkt
nach) Ich hab das irgendwann mal ausgerechnet, kann mich aber an die Zahl
nicht mehr genau erinnern. Hm…das waren früher so an die 300 Mal im Jahr. Das
macht in zehn Jahren ca. 30 000. Joa ich schätze so 100 000 – 120 000 mal
bestimmt.
B K:
Wahnsinn. Das ist eine gewaltige Summe! Haben Sie auch jemals für ein anderes
Theater außer dem Iberl gespielt?
G M:
Nein, ich
selber nicht, aber meine Stücke werden verlegt und andere Bühnen spielen sie.
Ich selber hätte gar keine Zeit gehabt woanders zu spielen.
B K:
Woher
nehmen Sie die Ideen und die Kreativität für die ganzen Stücke?
G M:
Die
Kreativität wird wohl irgendwo bei mir angesiedelt sein, zumindest sagen das die
Leute. (lacht) Was die Ideen angeht, auch hier habe ich kein Patent.
Entweder Ideen kommen oder sie kommen nicht. Natürlich beobachtet man viel in
seinem Leben, da kann es schon passieren, dass ein gefallener Satz die Idee für
ein neues Stück auslöst. Das tröpfelt halt manchmal so in den Kopf hinein…und
Gott sei dank tröpfelt es noch! (lacht)
B
K:
Wie sind Sie
denn zum Fernsehen gekommen?
G M:
Wir waren
schon als junge Leute immer mal beim Fernsehen dabei und haben kleine
Nebenrollen gespielt. Da war man noch gar kein Schauspieler in dem Sinn. Von dem
her war ich schon immer beim Fernsehen. Wir haben damals z. B. Rock’ n Roll
getanzt oder ähnliches und alles wofür wir Geld gekriegt haben. Dann hat man
irgendwann mal Leute gekannt und war dadurch immer in Kontakt.
B K:
Auf der
Bühne sind Sie ja selber Regisseur und Autor.
G M:
Ja, richtig.
Ich schreibe alle Stücke selber und inszeniere sie auch.
B K:
Auf der
Homepage der Iberl Bühne werden Sie selber ja als etwas schwierig wenn nicht
sogar streng beschrieben. Ist das wirklich so?
G M:
(lacht)
Die einen sagen so, die anderen so. Aber im Ernst, es macht bestimmt keinen
großen Spaß mit mir arbeiten zu müssen, aber das was hinterher rauskommt, das
macht den meisten dann doch Spaß. Ich hab nun mal ganz klare Vorstellungen und
deswegen haben die Schauspieler bei mir wenige Möglichkeiten sich selber
einzubringen. Ich muss es so schnitzen wie es mir passt. Wenn das jemand mit mir
nicht mitmachen kann, versteh ich das, aber dann passen wir halt auch nicht
zusammen. Das ist meine Art und solange die Leute hier begeistert rausgehen,
glaube ich das es richtig ist, da lasse ich mir nicht reinreden. Der
Schlussapplaus ist für mich das was zählt.
B K:
Wie ist
es denn dann für Sie beim Fernsehen von einem anderen Regisseur Anweisungen zu
bekommen?
G M:
Schwer.
(lacht) Früher habe ich mit sehr guten Regisseuren gearbeitet und da hat es
wirklich Spaß gemacht, aber heute ist es so, dass da viel Fließbandarbeit im
Spiel ist und sie auch gar nicht mehr die Möglichkeit haben etwas gut
auszuarbeiten. Da gibt’s viel 0815-Arbeit. Früher wenn ich mal gesagt hab „Lass
mich bitte die Szene nochmal machen, ich kann das noch besser“, dann konnte man
die Szene 2-3mal wiederholen und es war besser. Heute heißt es dann „Dafür haben
wir keine Zeit!“. Da läuft nur noch viel Rotz im Fernsehen.
B K:
Mit
„Früher“ meinen Sie da auch die Zusammenarbeit mit Helmut Dietl und Franz X.
Bogner?
G M:
Auch der Franz
Geiger oder Franz Peter Wirth, der seiner Zeit zu den bekanntesten zählte.
B K:
Mit wem
haben Sie denn am liebsten gearbeitet?
G M:
Ja, da muss
ich schon sagen mit dem Bogner. Mit dem Helmut Dietl aber auch. Aber mit dem
Franz X. Bogner hab ich teilweise auch zusammen geschrieben und da reicht dann
ein Blick um zu wissen wie jemand etwas meint. Der hat mich angeschaut und ich
wusste was er will, zumindest nehme ich das an, dass es so war. (lacht)
B K:
Man
sagt von Franz X. Bogner ja auch, dass er an etwas von ihm Geschriebenem keine
oder nur wenig Veränderung zulässt und die Texte auch genau so umgesetzt haben
will…
G M:
Wenn man die
Stücke schreibt ist man ja schon mal ca. ein halbes Jahr damit beschäftigt bevor
es dann der Schauspieler in die Hand kriegt. Also ist man schon in dem Stück
total drin und der Darsteller muss erst reinkommen. Ich z. B. versuche ja immer
einen Block aus der Mannschaft, bzw. dem Team zu schnitzen. Für mich als
Regisseur wichtig, weil es sonst auseinander driftet. Das ist wie bei einer
Fußballmannschaft, wo auch nicht ein Einzelner als Star glänzen kann.
B K:
Wo ist
denn z.B. der Unterschied, ob ein Franz X. Bogner oder ein Helmut Dietl Regie
führt?
G M:
Naja, der
Helmut Dietl z.B. lässt einen mehr selber machen. Der Franz wiederum hat eine
klare Vorstellung. Wenn man sich innerhalb seiner Vorstellungen einbringen kann
und es passt ihm so, dann haut’s auch hin.
B K:
Bei ihm
haben Sie ja auch in vielen Produktionen mitgespielt…
G M:
Ja, bei der
„Familie Meier“ hatte ich eine tolle Rolle, wo ich durch Zufall reingerutscht
bin und natürlich auch mit beispielsweise Karl Obermayr traumhafte Partner
gehabt habe. Oder auch Max Krückl als kleiner Bua (lacht) und natürlich auch
Willy Harlander…tolle Kollegen!
B K:
Sie
haben vorher ja schon erwähnt, dass Sie zu Bogner einen guten Draht hatten. Bei
welchen Produktionen von ihm haben Sie denn mitgeschrieben?
G M:
Bei „Unter
unserem Himmel“ z.B. Die Idee zur Serie „Zur Freiheit“ ist auch mit von mir. Ich
habe ja jahrelang im Schlachthofviertel gelebt und als wir mal zusammen da
entlang gegangen sind, ist die Idee dazu entstanden.
B K:
Zur
absoluten Kultserie ist bekanntermaßen „Irgendwie und Sowieso“ geworden. Wie oft
werden Sie denn noch auf die fiese Rolle des „Berti“ angesprochen?
G M:
Immer wieder.
Es ist unglaublich! Die Rolle war für mich natürlich auch super, weil ich ja
gerne so schräge und linke Typen spiele. Es ist Wahnsinn, da werden Partys mit
3000 – 4000 Leuten veranstaltet, die Serie läuft ohne Ton auf einer Leinwand und
die Band „Thunderbirds“ spielt dazu. 3000 Leute…das muss man sich mal
vorstellen, aus Österreich mit Bussen und sonst woher!
B K:
Sind
Sie dann auch öfter eingeladen?
G M:
Ich war schon
zwei Mal dabei, ja. Einmal in Dachau und einmal in Velden glaube ich. Wenn ich
Zeit habe mache ich das schon.
B K:
Auch
die Szene mit Ihnen aus „Monaco Franze“ ist natürlich Kult…
G M:
Das ist ja
auch eine traumhafte Serie. Wie überhaupt alle vom Dietl. Mit seinen Filmen bin
ich allerdings nicht einverstanden. Damit meine ich nicht nur seinen letzten („Zettl“)
sondern überhaupt. Mit Filmen hat er mir nie imponiert. Aber die Serien von
Dietl sind grandios. Wenn man heute „Münchner Geschichten“ anschaut, dann ist
das einfach Zeitgeschichte! Was da passiert ist und wie sich es entwickelt hat,
da sieht man woher das heute alles kommt. Ich rede z.B. von solchen Szenen, wo
die Altbauten abgerissen oder saniert und die alten Leute rausgeschmissen
werden. Ein Viertel wie das Lehel war ja früher ein Arbeiterviertel. Nichts
gegen tolle Wohnungen, aber wenn dann alte Leute, die dort 40-50 Jahre gewohnt
haben, an den Stadtrand verfrachtet werden, dann gehen die ein.
B K:
Nach
wie vor ein aktuelles Thema…
G M:
Ja auf jeden
Fall. Mit Therese Ghiese, Michaela May oder auch Hans Brenner als
Schauspieler…großartig!
B K:
Hätten
Sie damals, oder vielleicht auch heutzutage, Lust gehabt eine Hauptrolle in
einer Serie zu verkörpern?
G M:
In den Serien,
die im Moment laufen sicher nicht! (lacht) Aber bei den guten Serien von
früher hätte ich das natürlich schon gemacht.
B K:
Weil
Sie gerade schon so große Schauspieler aufgezählt haben, mit denen Sie
gearbeitet haben, gibt es Persönlichkeiten mit denen Sie besonders gern gedreht
oder den Sie vielleicht sogar bewundert haben?
G M:
Also ich muss
sagen, dass ich wahnsinnig viel von Karl Obermayr gelernt habe. Wir haben auch
viel miteinander gearbeitet und auch wenn ich mir hier im Theater eine Rolle
angeeignet habe und mir nicht sicher war, dann habe ich ihn angerufen und es ihm
vorgelesen. Dann kam schon mal ein „Pass auf mach es lieber so…“ oder „werd da a
bisserl leiser…“ usw. Von ihm habe ich irrsinnig viel gelernt.
B K:
Das ist
wirklich sehr interessant, weil auch von einigen Kollegen, mit denen ich schon
sprechen durfte, sehr oft Karl Obermayr als erstes genannt wird…
G M:
Ja er war
grandios. Ich meine, der Gustl Bayrhammer schon auch, aber mit dem Karl war es
halt noch mal mehr ein persönliches Verhältnis.
B K:
Leider,
leider muss man immer wieder feststellen, dass fast alle nicht mehr unter uns
weilen…
G M:
Leider ja, die
spielen jetzt im ganz großen Theater…
B K:
Sind
Sie der Meinung Darsteller solchen Kalibers gibt es jetzt auch?
G M:
Nein, das ist
auch in der heutigen Zeit nicht möglich. Die Schauspielerei hat ja auch etwas
mit der jeweiligen Zeit zu tun. Damit mein ich jetzt speziell die
Volksschauspieler. Der Unterschied zum Leben von damals und heute ist sehr groß.
Die ganzen Entbehrungen, die das Volk hatte, haben die Volksschauspieler von
damals ja noch kennen gelernt und konnten es natürlich besser darstellen. Auch
die Originale der jeweiligen Stadtviertel, die Stenzen usw., findet man nicht
mehr. Es ist alles da und wenn man so will, dann könnte man heutzutage aus
Mülltonnen leben und würde nicht untergehen. Früher wäre das schon der Fall
gewesen.
B K:
Das
Leben wirkt sich also schon sehr auf die Schauspielerei aus?
G M:
Bei mir ist es
so, dass es auf der Iberl Bühne keine einzige Figur gibt, die ich nicht schon
mal in meinem Leben kennen gelernt habe. Man hat somit etwas vor Augen und weiß
auch wo das hinführen soll. Das sieht man auch an Bewegungen, die Schauspieler
heutzutage können ja alle nicht mehr gehen und sich bewegen.
B K:
Bei
Helmut Fischer sagt man ja, dass er sich oft selber spielte…
G M:
(lacht)
Ja, der Helmut wurde mit seiner Art deshalb so beliebt, was aber auch daran lag,
dass er immer Panik hatte seinen Text zu vergessen. Die Angst vorm Text stand
ihm förmlich in den Augen und jeder hat Mitleid gehabt… (lacht) auch die
Zuschauer, aber die wussten nicht warum. Dadurch hat er aber auch eine tolle
Ausstrahlung gehabt.
B K:
Das war
also das Erfolgsgeheimnis von Helmut Fischer?
G M:
(lacht)
Naja, da wird es schon noch andere Dinge gegeben haben, das ist nur eine Analyse
von mir.
B K:
Hätten
Sie für das Fernsehen auch das Theater aufgeben können?
G M:
Um
Gotteswillen nein! Nie! Was ist denn Fernsehen im Vergleich zur Bühne? Das
Feedback hat man nur im Theater.
B K:
Hätten
Sie nicht auch mal Lust gehabt für das Fernsehen Regie zu führen?
G M:
Mit meiner
Bühne habe ich für Aufzeichnungen sozusagen schon Regie für das Fernsehen
gemacht, aber für eine TV-Serie noch nicht. Hätte und würde ich aber auch immer
noch gerne machen. Aber mich hat noch keiner gefragt und ich klopfe von mir aus
nirgendwo an. (lacht) Ich habe eine komplette Serie bei mir Zuhause in
der Schublade liegen…eine affengeile! (grinst)
B K:
Na aber
dann wär’s doch Zeit…
G M:
Jetzt bin ich
schon zu alt dafür.
B K:
Herr
Maier! Clint Eastwood dreht noch mit 80 Hollywood-Filme. Das wird auf jeden Fall
notiert und veröffentlicht.
G M:
(lacht)
Jaja…
B K:
Es gibt
ja auch im Kino momentan wieder eine bayerische Welle…
G M:
Ja, das ist
eigentlich auch kein schlechter Weg finde ich. Zumindest das was in den Kinos
läuft. Was im Fernsehen gezeigt wird ist schlecht! Es gibt wenige Ausnahmen wie
„München 7“, wo Franz X. Bogner noch Entfaltungsmöglichkeiten und Freiheiten
gegeben werden. Den Rest kannst in der Pfeife rauchen. Halt! „Franzi“ finde ich
noch hervorragend. Aber dieses „Dahoam is Dahoam“...(verzieht das Gesicht)
Warum müssen wir solche Soaps machen? Früher waren das die Fotoromane in
Illustrierten. Da sind alle Figuren austauschbar und gleich.
B K:
Man hat
es ja eigentlich schon rausgehört, aber welche Serie oder welcher Film hat es
Ihnen besonders angetan?
G M:
Ausnahmslos
fast alle Dietl- und Bogner-Serien. Wenn ich davon eine wählen müsste, dann auf
jeden Fall „Münchner Geschichten“. Was Filme angeht, gerade im bayerischen
Sektor, tut es mir leid, da fällt mir keiner ein. Selbst wenn es gute
Produktionen gibt, muss ich einfach sagen dass ich in den letzten Jahren wenige
Filme schaue. Als ich noch ins Kino gegangen bin, gab es in Deutschland in den
60er und 70er Jahren diese Autorenfilme, die ich alle grausam fand. Seitdem
schaue ich wenig deutsche Filme. (lacht)
B K:
Herr
Maier ich danke Ihnen für das nette Interview.
G M:
Ja bitte,
gerne. Dann geh ich jetzt mal ins Kino! (lacht)
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