Interview mit Michael A. Grimm

(März 2024)

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Foto: © Ingrid Theis

Bayerische Kultserien: Herr Grimm, schaut man sich Ihre Vita an, dann haben Sie eigentlich den Werdegang eines „Musterschauspielers“. Bayerische Theaterakademie, Diplomschauspieler, Staatsschauspiel. Haben Sie davor auch mal etwas anderes gemacht im Leben?

Michael A. Grimm: Ja, aber eher so Tausendsassa-mäßig. (lacht) Da war ich auf vielen Gleisen gleichzeitig unterwegs und nicht derjenige, der eine Ausbildung gemacht hat. Ich habe viel gejobbt, gearbeitet und konnte von allem ein bisschen was, aber das dann schon ganz gut. Ich hätte mir ein natur-, geistes- oder sozialwissenschaftliches Studium vorstellen können. Auch ein handwerklicher Beruf, bildende Kunst oder Musiker wäre möglich gewesen. Irgendwann habe ich überlegt, bei welchem Beruf es von Vorteil wäre, von allem etwas einfließen lassen zu können. In einer Laienschauspielgruppe war ich schon, deswegen war mein Gedanke: Als Schauspieler muss man irgendwie alles können, aber nicht perfekt. Das würde meinem begabten, aber doch oberflächigen Talent entgegenkommen. (lacht) Allerdings wollte ich dann schon eine solide Ausbildung und habe mich bezüglich Schulen informiert. Ich war damals einer von hunderten Bewerbern und wurde genommen, deshalb dachte ich mir: So schlecht kannst du nicht sein. (lacht) Und dann habe ich meinen Weg gemacht.

B K: Der endgültige Entschluss war also der Gedanke an Ihre Vielseitigkeit?

M G: Mit Mitte 20 keinen Abschluss oder ein Diplom zu haben und überall so ein bisschen reinzuschnuppern, das hätte ich schon noch weitermachen können. Aber ich wollte eine Ausbildung und die wird mit zunehmendem Alter auch nicht gerade leichter. Deswegen war der Gedanke daran, welche meiner vielen Leidenschaften denn gut ausgebildet werden können, eine vernünftige Entscheidung. Deswegen habe ich mich sehr klar für eine staatliche Schauspielschule entschieden. Hätte das nicht funktioniert, wäre ich wahrscheinlich Handwerker geworden.

B K: Welcher Handwerksberuf wäre es dann gewesen?

M G: Grobschmied. Ein Beruf, bei dem man z.B. alte Kirchenbeschläge saniert, gusseiserne Zäune oder Türbeschläge herstellt. Vor kurzem war ich tatsächlich bei einem Messerschmied, wo ich mir ein Messer hab machen lassen und voller Inbrunst in der Werkstatt selber Hand anlegen durfte. Er meinte dann auch, dass ich mich gar nicht so blöd anstelle. So ganz falsch wäre ich in dem Beruf also wohl nicht gewesen. (lacht)

B K: Sie spielen ja auch sehr viel Theater. Wenn man dann in die sogenannte „Internet Movie Database“ schaut, dann sieht man, dass es seit 1996 eigentlich kein Jahr gab, bei dem Sie nicht an einer Produktion beteiligt waren. Wie ist denn so etwas zeitlich machbar?

M G: Das ist tatsächlich nicht ganz einfach. Man muss Kompromisse eingehen und vielleicht auch mal für schlecht bezahltes Theater einen gut bezahlten Film absagen. Da sind wir aber wieder bei den vielen Gleisen gleichzeitig. Bei den ganzen Gattungen meines Berufs, fällt es mir schwer mich nur auf eine Sache zu spezialisieren. Vor der Kamera und auf der Bühne zu stehen, Sprecher-Arbeiten, Hörbücher, Synchronsprecher, mich reizt einfach alles davon. Das zeitmäßig zu koordinieren ist schwierig und meine Agentin natürlich nicht immer begeistert, wenn der Terminplan noch voller wird. (lacht) aber mir ist das wichtig. Ich brauche das als Herausforderung. Wenn ich es mir zu bequem mache, dann habe ich Angst, dass ich schlecht werde. Deswegen reizen mich nach zwei Staffeln „Die Rosenheim Cops“ auch eine Lesung über Kaffee im Museum, ein Radiofeature über Bauernhöfe im Allgäu, mich auf eine Synchronarbeit einzulassen oder eben auf der Bühne zu stehen. Die Vielseitigkeit tut mir auch gut. Wenn ich z.B. nur spreche, dann kann ich meinen Körper, von dem ich relativ viel habe, weglassen und nur mit der Stimme arbeiten. Auf der anderen Seite gibt es Stücke, die vielleicht eine Tanzchoreografie haben und ich fast ausschließlich mit dem Körper agiere. Ich sehe das als Gewinn für meine Entwicklung. Was ich nicht so gerne mache, ist moderieren, auch wenn ich das „Dampfplaudern“ schon beherrsche. (lacht)

 

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B K: Dann stört Sie eine Schlagzeile wie „Deutschlands größter Nebendarsteller“, die ich über einen Bericht von Ihnen mal gelesen habe, gar nicht so sehr?

M G: (lacht) Nein, überhaupt nicht. Wobei den Titel auch andere Kollegen auch haben. Fachlich betrachtet ist das auch nicht ganz richtig, denn ich bin ja nicht nur ein Nebendarsteller. Ich mag auch hier die Vielseitigkeit. Ich fände es schade immer NUR die sogenannten „supporting acts“, also die unterstützenden Rollen zu spielen. Die sind aber total wichtig und gehören dazu. Das macht nicht nur dem Zuschauer, sondern auch mir Spaß, wenn man damit miteinander schafft, Szenen und Situationen gut zu spielen. Gute Filme zeichnen sich auch immer dadurch aus, dass sie auch bei den Nebenfiguren gut besetzt ist. Deswegen wäre es für mich eine Art Hybris, zu sagen „Ich will jetzt nur noch Hauptrollen spielen!“. Wenn man diese hat, dann ist es insofern gut, weil man als Hauptprotagonist mehr Einfluss auf das Gesamtwerk hat, meistens mehr Gage bekommt und sich für diesen geblockten Zeitraum ganz auf die Rolle konzentrieren und sich ihr hingeben kann, während ein Nebendarsteller meistens parallel mehrere Stücke bzw. Drehbücher im Kopf hat. Ich hätte gerne beides. Vor der Kamera und auf der Bühne müssen sich die Fantasien von vielen Menschen treffen. Selbst bei einem Solostück, muss sich die Arbeit vom Autor, der Regie, im Prinzip von jedem Beleuchter, Ton- oder Kostümmitarbeiterin zusammenfügen, um eine Geschichte zu erzählen. Deswegen ist das immer eine Gemeinschaftssache. Ich mag meinen Beruf auch deshalb, weil es um diese Zusammenarbeit geht.

B K: Wen jemand eine Hauptrolle spielt, hat er ja vielleicht trotzdem im Gesamten wenig Engagements. Das ist bei Ihnen wahrscheinlich nicht so, oder?

M G: Gottseidank, weil ich für mich gemerkt habe, dass mir zu viel Leerlauf nicht gut tut. Wobei unser Beruf immer auch aus Warten besteht und es selten so ist, dass sich ein Projekt nach dem anderen die Klinke in die Hand gibt und gut verteilt sind. Dadurch, dass ich viele Geschichten parallel mache, kann ich mir einen guten Ausgleich schaffen. Organisatorisch aber wie gesagt ein Albtraum. (lacht)

B K: Gibt es eine Rolle, auf die Sie am meisten angesprochen werden?

M G: Nein, das kommt immer auf die Leute an. Ob das jetzt „Dahoam is Dahoam“-Fans sind, Leute die vielleicht „Die Rosenheim Cops“ schauen oder welche, die aus der Tanz-Szene kommen und „Tanze Tango mit mir“ gesehen haben. Ich hatte auch mal von 2001 – 2003 eine feste Rolle bei der „Lindenstraße“. Das waren eigentlich wenige Szenen, mit vielleicht 4 bis 10 Drehtagen im Jahr. Da gab es trotzdem viele Fans, die mich noch 20 Jahre danach angesprochen haben. Im bayrisch-österreichischen Raum, sind es natürlich auch eher meine bayrischen Rollen, die bekannt sind. „Die Rosenheim Cops“ sind z.B. in Österreich eine der meistgeschauten Serien. Es kommt auch oft darauf an, was gerade gelaufen ist oder was gerade bei den Leuten präsent ist. Im Winter ist jetzt eine Folge „Nord Nord Mord“ mit mir gelaufen, auf die mich auch sehr viele angesprochen haben oder als bei Netflix die Serie „Oktoberfest 1900“, bei der ich eine eher unrühmliche Rolle hatte und durch den Abort entsorgt wurde (lacht), ganz oben auf der Liste stand, haben mich die Zuschauer eben von da erkannt. Lustig ist es auch, wenn ich z.B. am Flughafen von sogenannten „Exil-Bayern“ angeredet werde, die mir dann sagen sie schauen auch im Ausland „Dahoam is dahoam“, weil sie das an die Heimat erinnert.

 

Bild: BR/Marco O. Pichler

© Constantin

B K: Mir persönlich sind Sie ja das erste Mal beim Film „Schwere Jungs“ aus 2006 von Marcus H. Rosenmüller aufgefallen.

M G: Darauf hat mich auch gestern jemand beim Nockherberg angesprochen. Wahrscheinlich, weil ich neben Sebastian Bezzel gesessen bin. Wenn wir beide zu sehen sind, kommt aber meistens „Guglhupfgeschwader“ zur Sprache, weil das noch präsenter ist. Manchmal muss ich selbst etwas grübeln, welcher Film gerade bei den Leuten im Kopf ist. Als der Film „In aller Stille“, bei dem ich einen Kindsmörder gespielt habe, gerade rauskam und viele Preise gewonnen hatte, da wurde ich von vielen erkannt. Und gleichzeitig sagten welche „Nein, den kenne ich doch als Knecht von Forsthaus Falkenau!“. Dann denke ich mir „Stimmt, das war ich auch.“ (lacht) Es ist immer schön, wenn man eine Rückmeldung für seine Arbeit bekommt. Auch wenn sie nicht positiv ist. Ich mag es auch, wenn Leute sagen „Das hat mir nicht so gefallen“. Ich kann oft unterscheiden, ob es an mir liegt oder vielleicht am Stoff bzw. am Thema des Films oder der Serie. Wenn jemand lieber heitere Sachen mag, dann ist er für meine Rolle als Kindermörder vielleicht nicht unbedingt Feuer und Flamme. Manchmal ist es ein bisschen schade, wenn ich erklären muss, was mein Beruf ist. „Sonst sans immer so ned und da waren’s so bös!“. (lacht) Es gibt Kollegen, die sind wie ich und wollen viel Verschiedenes spielen und andere pflegen vielleicht lieber ein Rollenfach, wie z.B. als Sympath oder als Finsterling. Damit kann ich jetzt nicht dienen. Dafür habe ich zu viele Alter Egos. (lacht)

B K: Was ist Ihnen denn lieber? Der Sympath oder der Unsympath?

M G: Mit der Aussage „Die schöneren Rollen sind die Bösen“ kann ich nicht immer d’accord gehen. Das kann stimmen, muss aber nicht. Pauschal lässt sich das sehr schwer sagen. Für mich persönlich schaue ich natürlich, dass ich in jeder Rolle einen Reiz entdecke, die sie mich gerne spielen lässt. Da überlege ich immer, was eine bestimmte Figur auszeichnet. Deshalb sind die auch nicht alle gleich, sondern unterscheiden sich voneinander.

B K: Man kennt Sie nicht nur im bayrischen Raum. Spielen Sie trotzdem gerne in Ihrem Heimatdialekt?

M G: Ja, aber auch nicht nur. Ich finde es schön, wenn ich auch in andere Mundarten reinschmecken kann, wobei man dann immer aufpassen muss, dass es nicht zu gestelzt oder aufgesetzt klingt. Natürlich ist es ein bisschen schade, wenn ein Regisseur fragt „Können sie auch Hochdeutsch?“ oder bei einer Sprechertätigkeit „Lesen sie dann mit Akzent?“. Natürlich bin es des Standarddeutschen mächtig. (lacht) Gerne setze ich aber meine Mundart ein, wo sie angebracht ist. Es ist doch schön, wenn man da am Rädchen drehen kann und vom Hochdeutsch bis zu einem „recht an hoglbuachan Boarisch“. (lacht)

B K: Bleiben wir mal in Bayern. „Die Rosenheim Cops“ haben Sie ja schon angesprochen. Warum glauben Sie funktioniert diese Reihe so gut?

M G: Zum einen ist das Grundkonzept natürlich sehr schön. Es ist zwar ein bisschen merkwürdig, aber bei uns sind fast 80% der Film- und Serieninhalte Krimis. In anderen Ländern ist das nicht so. Das ist ein sehr deutsches bzw. mitteleuropäisches Phänomen. „Die Rosenheim Cops“ werden dem deutschen Vorabend sehr gerecht. Die Zuschauer bekommen ihren Krimi, es ist nie zu brutal oder gar blutrünstig und gleichzeitig ist es in leichter Unterhaltung eingebettet. Ich sehe das auch nicht als Beleidigung, wenn mir Leute erzählen, dass sie dabei gut entspannen oder sogar einschlafen können. Man weiß ja, was so ein Format will. Die Unterhaltung hängt sich an einer leichten Krimigeschichte auf, die am Ende immer gelöst wird. Man hat zum Schluß ein gutes Gewissen und weiß, die Guten haben gewonnen. Es gibt kein offenes Ende und es werden keine großen sozialen Dramen behandelt. Hier werden schön die Randthemen des Alltags dargestellt und das in einer gemütlichen bayrischen Art mit regionalem Bezug. Zum anderen schaffen es allen voran meine großartigen Kollegen Marisa Burger und Max Müller als Stockl und Mohr, das Ganze schon fast zu einer „Commedia del’arte“ zu machen. D.h. ein Stegreif-Spiel mit festen Rollen, wo man schon weiß, was von einer bestimmten Figur zu erwarten ist. Das ist glaube ich deshalb für viele Zuschauer etwas Schönes, um runterzukommen und ein Erfolgsrezept, das deshalb schon seit Jahrzehnten funktioniert.

B K: Viele Fans unserer Seite trauern noch dem „Kommissar Pascha“ nach. Eine Reihe mit Ihrer Beteiligung, die aber nach dem zweiten Fall nicht mehr fortgesetzt wurde.

M G: Da kann ich nur sagen, dem trauern wir auch nach. Ich habe Tim Seyfi neulich beim bayerischen Filmpreis getroffen. Gerade wir vier Ermittler, also Tim, Theresa Hanich, Almila Bagriacik und ich, hatten sehr gut zusammengefunden und hätten auch Lust auf mehr gehabt. Su Turhan, der ja noch vor Erscheinen der ersten beiden Filme 5 Bücher vom Kommissar Pascha geschrieben hatte, hat erzählt, dass er beim Schreiben von Band 6 und 7 etwas von unseren Filmfiguren übernommen hat. Das wäre also etwas Schönes gewesen. Vielleicht war es mit Erscheinen des zweiten Teils „Bierleichen“ eine etwas ungünstige Zeit, in der Recep Erdogan wieder sehr laut wurde und man nicht bereit war zu viel Türkentum zu zeigen oder zu schauen. Der Grund wäre allerdings albern, da wir es wirklich sehr nett erzählt haben und Tim Seyfi sich und den Pascha auch eher als bayerischer Türke sieht. Also uns hätte es auf jeden Fall auch Spaß gemacht das weiterzuführen.

B K: Besonders von der Kritik gelobt wurde vor 3 Jahren auch Ihr Film „Tanze Tango mit mir“. Können Sie den Tanz noch?

M G: Leider nicht mehr in dem Maße, wie es da nötig war und ich müsste mich wieder etwas reinfuchsen, aber es geht immer noch, ja und ist einfach schön.

 

Bild: BR/die film gmbh/Hendrik Heiden

B K: Zudem beherrschen Sie ja auch noch eine Schwertkampfkunst.

M G: Ja, Iaido. Das haben wir auf der Schauspielschule gelernt und ist etwas Wunderbares, dass man für sich und seinen Körper gerne weiterführen kann. Im übrigens mache ich seit der Schauspielschule immer noch Feldenkrais, eine Methode, bei der man die Beweglichkeit seines Körpers verbessern und fit halten kann. Der Körper ist unter anderem mein Instrument, mit dem ich arbeite und der sollte nicht zugrunde gehen. (lacht)

B K: Instrumente spielen Sie ja auch noch. Wäre Musiker tatsächlich auch ein Beruf für Sie gewesen?

M G: Absolut. Das war auch in meinen Überlegungen vorhanden. Ich habe gerade den Brandner Kaspar in Füssen gespielt, am Deutschen Theater viel gesungen und „Der Kontrabass“ von Patrick Süskind gespielt. Es ist also gut, dass ich mit Streichinstrumenten auch umgehen kann. Bei neuesten Stück „Anatevka“ im Hofspielhaus, wo ich den Tevje spiele, werde ich auch wieder viel singen. Musik lässt sich mit der Schauspielerei am leichtesten kombinieren. Eine musikalische Ader und Grundbegabung sind also vorhanden. Ich liebe Musik sie macht mir in vielen verschieden Bereichen meines Berufs auch großen Spaß. Deswegen wäre das neben der Schauspielerei immer eine Alternative gewesen.

B K: Gibt es eine Rolle, die Sie gerne mal spielen würden, aber noch nie gespielt haben?

M G: Eine ganz bestimmte Traumrolle nicht. Aber sicher liest man mal ein schönes Stück, auf das man Lust hat. Manchmal gehe ich dann so etwas einfach an und spiele es oder schiebe ein bestimmtes Projekt an. Das hört sich jetzt so einfach an und als wäre immer alles in Butter. Das ist natürlich nicht immer so, aber ich habe nie Gedanken in der Richtung „Ah, ich wollte doch unbedingt mal…“. Das Schöne ist: Ich durfte schon so viele verschiedene Sachen spielen und in alle Richtungen gehen. Die richtig bösen, die oberflächigen, die tiefgründigen und die ganz lustigen. Auf immer das Gleiche hätte ich wenig Lust. Wie schon gesagt, suche ich hier mit vielen verschiedenen Sachen einen Ausgleich zu schaffen.

B K: Dann muss ich andersherum wahrscheinlich gar nicht fragen, ob es etwas gibt, dass Sie auf keinen Fall spielen würden.

M G: (überlegt) Es gibt nicht per se gegen eine bestimmte Rolle vorbehalte. Ich möchte mich nur gerne mit Leuten einigen, was für eine Geschichte wir erzählen wollen. Sobald mir da etwas zum dumm, blödsinnig oder an den Haaren herbeigezogen erscheint, mag ich nicht mitmachen. Zum Beispiel war ich auch schon nackt in „Schwere Jungs“ oder in der Sauna bei der Serie „Falk“. Ich würde mich aber nicht nackig machen, nur um sich nackig zu machen. Wenn die Voraussetzungen stimmen, dann lasse ich mich im Prinzip auf alles ein, weil das mein Beruf ist. Aber ich mag es nicht, wenn es nur etwas Effekthascherisches ist.

B K: Es geht dann also eher um das Projekt als um eine bestimmte Rolle.

M G: (überlegt) Ja, das Projekt und um die Personen, die beteiligt sind. Als Beispiel: Schauspiel ist ein schöner Beruf und natürlich werden auch öfter Kinder besetzt. Ich hätte dann aber ganz gerne, dass sehr auf sie aufgepasst wird. Die sollten nicht mehr als nötig beansprucht werden. Hier bin ich relativ strikt. Wenn es eine Szene gibt, in der ich einen Jungen vergewaltigen soll, dann rufe ich vorher bei der Regie an: „Was willst du erzählen? Was soll gezeigt werden? Wie werden die Kinder angefasst? Wie ist die Betreuung am Set?“ Wenn ich merke, da gibt es Nachlässigkeiten, dann erhebe ich meinen Einwand, werde unter Umständen laut oder ziehe meine Teilnahme zurück. Wenn da alles passt, dann kann man auch mit so einer Rolle arbeiten. Zumindest waren das bisher meine Erfahrungen. Auf der anderen Seite würde ich etwas, dass sehr propagandistisches ist, auch nicht machen wollen. Filmemacher haben ja oft auch eine politische Meinung und transportieren eine Aussage. Ich bin wirklich nach vielen Seiten offen, tolerier sehr viel und habe Verständnis in jede Richtung. Ich sehe da die Freiheit der Kunst. Da soll man fast alles zeigen und sagen dürfen, aber missbrauchen lassen für bestimmte Dinge jenseits der Grenze, möchte ich mich nicht.

B K: Nicht politisch, aber sportlich waren Sie bei der Serie „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“, die im letzten Jahr erfolgreich bei RTL+ lief, auf der Seite des FC Bayern. Da muss ich natürlich fragen: Sind Sie überhaupt Fußball-Fan?

M G: Also, im streng etymologischen Sinne des Wortes „Fan“, also „Fanatic“, bin ich es nicht. (lacht) Das ist im Deutschen etwas absurd, weil ja als „Fan“ jeder Anhänger bezeichnet wird. „Fanatic“ wären dann ja eher die Ultras oder so. Ich bin auch nicht Anhänger EINER Mannschaft. Ich kann es verstehen, dass Leute ihre Identität dadurch prägen, FC Bayern- oder 1860-Fan zu sein. Mir hat das aber nie etwas gegeben. Ich kann nicht stolz sein, auf etwas, das ich nicht gemacht habe, oder wenn jemand anderes gut spielt. Das ist schön und man entwickelt ein Gemeinschaftsgefühl, aber darauf kann ich nicht stolz sein. Allerdings schaut meine Frau gerne Fußball und sie hat mich da etwas eingeführt. Deswegen weiß ich gute Spiele wirklich zu schätzen und kann auch mitfiebern, aber eben nicht unbedingt nur für einen Verein.

Foto: RTL / Frank Dicks

B K: Wie ich ihn kenne, würde Ihr Kollege Tim Seyfi da ganz anders denken.

M G: (lacht) Oh ja. Der Tim hat seinen lieblingsdeutschen Verein, seinen hassdeutschen Verein und seinen lieblings- und hasstürkischen Verein. In der Serie habe ich mir deswegen von ihm auch nur die Haare schneiden lassen. (lacht) Als Münchner bin ich natürlich mit der Geschichte des FC Bayern und den Sechzgern vertraut.

 

B K: Wie war die Arbeit bei dieser Serie und wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?

M G: Für mich war „Gute Freunde“ eine schöne Arbeit. Einen Wilhelm Neudecker (Präsident des FC Bayern von 1962 – 79) zu spielen war nicht leicht. Im Gegensatz zu anderen Figuren, gab es von ihm sehr wenig Vorlagen. Ein paar Fotos, ein paar Aussagen, aber kaum bewegte Bilder. Und die, die ihn kannten, sprechen oder erzählten auf sehr unterschiedliche Weise von ihm. Hier haben aber die Autoren und die Produktion seine sehr solide Arbeit geleistet. Da konnte ich dann viel nachfragen und auch etwas selbst recherchieren. Es sollte ja auch nicht eine Biografie von Neudecker darstellen, von dem her musste ich auch nicht 100prozentig übereinstimmen. Zuerst dachte ich mir, dass das viel zu viel Geschimpfe ist. Aber letztendlich war das dramaturgisch notwendig, dass von ihm immer Druck ausgeht. Der ist nie ruhig und macht immer ein Fass auf. Privat wird von ihm in der Serie ja nichts erzählt. Die Aufgabe meiner Figur war es also, immer so zu agieren, damit das Ganze weitergeht und funktioniert. Von Neudecker weiß man auch, dass er ein harter Geschäftsmann war und sehr erfolgsbesessen. Alles, was er selbst nicht konnte, hat er delegiert, weshalb es ja auch Robert Schwan in dieser Funktion im Verein gab. Im Grunde ist seine Biografie ein bisschen die Geschichte vom kleinen Maurer aus Straubing, der sich zum Millionär hochgearbeitet hat. Der schon etwas auf dem Kasten hatte, aber nie der Intellektuelle war und in die Münchner Gesellschaft wollte. Kultur in dem Sinn ist für ihn nichts, also versucht er es über den Sport und schaut bei den Sechzgern vorbei, weil sein Bruder in Giesing gelebt hat. Nachgewiesen ist, dass ihm der Friseur Niggl (in der Serie von Tim Seyfi dargestellt) den FC Bayern empfohlen habe. Schlitzohrig wie er war, hat er sich erstmal nur interimsmäßig wählen lassen. Ich habe nachgelesen, dass er Dreivierteljahr nach seiner Wahl immer noch nicht Registergericht als Präsident eingetragen war. Dadurch hätte er nämlich alle Schulden und Missstände übernehmen müssen. Schließlich hat er es gemacht und investierte in den Verein unter seinen Voraussetzungen. Das sagt ja auch einiges über den Menschen aus. Dem Regisseur David Dietl haben meine Schimpftiraden auf jeden Fall gefallen. Er meinte „Normalerweise mag ich es nicht, wenn einer immer so rumschreit, aber bei dir gefällt es mir“. (lacht) Also haben wir es so gemacht.

B K: So weit ich Paul Breitner verstanden habe, war es wohl ziemlich nah an der Realität.

M G: Hm, nicht ganz. Uli Hoeneß meinte bei der Premiere wohl soetwas wie „Ganz so schlimm war er ned.“. Und Paul Breitner meinte: „Das habt ihr für’s Fernsehen wahrscheinlich abmildern müssen, um zu zeigen, dass er nicht so ein A… war“. (lacht) Wenn ich also mit meiner Darstellung dazwischen liege, dann war es vielleicht gar nicht schlecht.

B K: Auch Ihnen stelle ich jetzt die letzte Frage, bei der es um Ihre persönliche bayerische Lieblingsserie geht.

M G: (überlegt) Da gibt es viele schöne Serien und mir fällt die Auswahl schwer. Ich lasse mal die Klassiker wie „Irgendwie und Sowieso“, „Monaco Franze“, „Kir Royal“ oder auch „Münchner Geschichten“ außen vor, weil das wirkliche Leitlinien sind und großartig ausgearbeitet. (überlegt weiter) Wenn ich an meine Kindheit denke, dann an das „Königlich Bayerische Amtsgericht“, dass mich ein Stück weit geprägt hat und natürlich „Meister Eder und sein Pumuckl“ mit Gustl Bayrhammer. Übrigens ist auch der neue, mit Florian Brückner, sehenswert.  Auch „München 7“, bei der ich sogar mal mitgespielt habe, oder „Cafe Meineid“ haben bei mir schon ein gewisses Weltbild geschaffen. Und ich denke auch „Oktoberfest 1900“ hat das Zeug zu einem Klassiker zu werden.

B K: Ich danke Ihnen für das Gespräch Herr Grimm.

M G: Sehr gerne!

 

 
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