Bayerische Kultserien:
Herr
Grimm, schaut man sich Ihre Vita an, dann haben Sie eigentlich den Werdegang
eines „Musterschauspielers“. Bayerische Theaterakademie, Diplomschauspieler,
Staatsschauspiel. Haben Sie davor auch mal etwas anderes gemacht im Leben?
Michael
A. Grimm:
Ja, aber eher
so Tausendsassa-mäßig. (lacht) Da war ich auf vielen Gleisen gleichzeitig
unterwegs und nicht derjenige, der eine Ausbildung gemacht hat. Ich habe viel
gejobbt, gearbeitet und konnte von allem ein bisschen was, aber das dann schon
ganz gut. Ich hätte mir ein natur-, geistes- oder sozialwissenschaftliches
Studium vorstellen können. Auch ein handwerklicher Beruf, bildende Kunst oder
Musiker wäre möglich gewesen. Irgendwann habe ich überlegt, bei welchem Beruf es
von Vorteil wäre, von allem etwas einfließen lassen zu können. In einer
Laienschauspielgruppe war ich schon, deswegen war mein Gedanke: Als Schauspieler
muss man irgendwie alles können, aber nicht perfekt. Das würde meinem begabten,
aber doch oberflächigen Talent entgegenkommen. (lacht) Allerdings wollte
ich dann schon eine solide Ausbildung und habe mich bezüglich Schulen
informiert. Ich war damals einer von hunderten Bewerbern und wurde genommen,
deshalb dachte ich mir: So schlecht kannst du nicht sein. (lacht) Und
dann habe ich meinen Weg gemacht.
B K:
Der
endgültige Entschluss war also der Gedanke an Ihre Vielseitigkeit?
M G:
Mit
Mitte 20 keinen Abschluss oder ein Diplom zu haben und überall so ein bisschen
reinzuschnuppern, das hätte ich schon noch weitermachen können. Aber ich wollte
eine Ausbildung und die wird mit zunehmendem Alter auch nicht gerade leichter.
Deswegen war der Gedanke daran, welche meiner vielen Leidenschaften denn gut
ausgebildet werden können, eine vernünftige Entscheidung. Deswegen habe ich mich
sehr klar für eine staatliche Schauspielschule entschieden. Hätte das nicht
funktioniert, wäre ich wahrscheinlich Handwerker geworden.
B K:
Welcher
Handwerksberuf wäre es dann gewesen?
M G:
Grobschmied. Ein Beruf, bei dem man z.B. alte Kirchenbeschläge saniert,
gusseiserne Zäune oder Türbeschläge herstellt. Vor kurzem war ich tatsächlich
bei einem Messerschmied, wo ich mir ein Messer hab machen lassen und voller
Inbrunst in der Werkstatt selber Hand anlegen durfte. Er meinte dann auch, dass
ich mich gar nicht so blöd anstelle. So ganz falsch wäre ich in dem Beruf also
wohl nicht gewesen. (lacht)
B K:
Sie
spielen ja auch sehr viel Theater. Wenn man dann in die sogenannte „Internet
Movie Database“ schaut, dann sieht man, dass es seit 1996 eigentlich kein Jahr
gab, bei dem Sie nicht an einer Produktion beteiligt waren. Wie ist denn so
etwas zeitlich machbar?
M G:
Das
ist tatsächlich nicht ganz einfach. Man muss Kompromisse eingehen und vielleicht
auch mal für schlecht bezahltes Theater einen gut bezahlten Film absagen. Da
sind wir aber wieder bei den vielen Gleisen gleichzeitig. Bei den ganzen
Gattungen meines Berufs, fällt es mir schwer mich nur auf eine Sache zu
spezialisieren. Vor der Kamera und auf der Bühne zu stehen, Sprecher-Arbeiten,
Hörbücher, Synchronsprecher, mich reizt einfach alles davon. Das zeitmäßig zu
koordinieren ist schwierig und meine Agentin natürlich nicht immer begeistert,
wenn der Terminplan noch voller wird. (lacht) aber mir ist das wichtig.
Ich brauche das als Herausforderung. Wenn ich es mir zu bequem mache, dann habe
ich Angst, dass ich schlecht werde. Deswegen reizen mich nach zwei Staffeln „Die
Rosenheim Cops“ auch eine Lesung über Kaffee im Museum, ein Radiofeature über
Bauernhöfe im Allgäu, mich auf eine Synchronarbeit einzulassen oder eben auf der
Bühne zu stehen. Die Vielseitigkeit tut mir auch gut. Wenn ich z.B. nur spreche,
dann kann ich meinen Körper, von dem ich relativ viel habe, weglassen und nur
mit der Stimme arbeiten. Auf der anderen Seite gibt es Stücke, die vielleicht
eine Tanzchoreografie haben und ich fast ausschließlich mit dem Körper agiere.
Ich sehe das als Gewinn für meine Entwicklung. Was ich nicht so gerne mache, ist
moderieren, auch wenn ich das „Dampfplaudern“ schon beherrsche. (lacht)
Copyright
ZDF/Christian A. Rieger
B K:
Dann
stört Sie eine Schlagzeile wie „Deutschlands größter Nebendarsteller“, die ich
über einen Bericht von Ihnen mal gelesen habe, gar nicht so sehr?
M G:
(lacht)
Nein, überhaupt nicht. Wobei den Titel auch andere Kollegen auch haben. Fachlich
betrachtet ist das auch nicht ganz richtig, denn ich bin ja nicht nur ein
Nebendarsteller. Ich mag auch hier die Vielseitigkeit. Ich fände es schade immer
NUR die sogenannten „supporting acts“, also die unterstützenden Rollen zu
spielen. Die sind aber total wichtig und gehören dazu. Das macht nicht nur dem
Zuschauer, sondern auch mir Spaß, wenn man damit miteinander schafft, Szenen und
Situationen gut zu spielen. Gute Filme zeichnen sich auch immer dadurch aus,
dass sie auch bei den Nebenfiguren gut besetzt ist. Deswegen wäre es für mich
eine Art Hybris, zu sagen „Ich will jetzt nur noch Hauptrollen spielen!“. Wenn
man diese hat, dann ist es insofern gut, weil man als Hauptprotagonist mehr
Einfluss auf das Gesamtwerk hat, meistens mehr Gage bekommt und sich für diesen
geblockten Zeitraum ganz auf die Rolle konzentrieren und sich ihr hingeben kann,
während ein Nebendarsteller meistens parallel mehrere Stücke bzw. Drehbücher im
Kopf hat. Ich hätte gerne beides. Vor der Kamera und auf der Bühne müssen sich
die Fantasien von vielen Menschen treffen. Selbst bei einem Solostück, muss sich
die Arbeit vom Autor, der Regie, im Prinzip von jedem Beleuchter, Ton- oder
Kostümmitarbeiterin zusammenfügen, um eine Geschichte zu erzählen. Deswegen ist
das immer eine Gemeinschaftssache. Ich mag meinen Beruf auch deshalb, weil es um
diese Zusammenarbeit geht.
B K:
Wen
jemand eine Hauptrolle spielt, hat er ja vielleicht trotzdem im Gesamten wenig
Engagements. Das ist bei Ihnen wahrscheinlich nicht so, oder?
M G:
Gottseidank, weil ich für mich gemerkt habe, dass mir zu viel Leerlauf nicht gut
tut. Wobei unser Beruf immer auch aus Warten besteht und es selten so ist, dass
sich ein Projekt nach dem anderen die Klinke in die Hand gibt und gut verteilt
sind. Dadurch, dass ich viele Geschichten parallel mache, kann ich mir einen
guten Ausgleich schaffen. Organisatorisch aber wie gesagt ein Albtraum.
(lacht)
B K:
Gibt es eine Rolle, auf die Sie am meisten angesprochen werden?
M G:
Nein, das
kommt immer auf die Leute an. Ob das jetzt „Dahoam is Dahoam“-Fans sind,
Leute die vielleicht „Die Rosenheim Cops“ schauen oder welche, die aus der
Tanz-Szene kommen und „Tanze Tango mit mir“ gesehen haben. Ich hatte auch
mal von 2001 – 2003 eine feste Rolle bei der „Lindenstraße“. Das waren
eigentlich wenige Szenen, mit vielleicht 4 bis 10 Drehtagen im Jahr. Da gab
es trotzdem viele Fans, die mich noch 20 Jahre danach angesprochen haben. Im
bayrisch-österreichischen Raum, sind es natürlich auch eher meine bayrischen
Rollen, die bekannt sind. „Die Rosenheim Cops“ sind z.B. in Österreich eine
der meistgeschauten Serien. Es kommt auch oft darauf an, was gerade gelaufen
ist oder was gerade bei den Leuten präsent ist. Im Winter ist jetzt eine
Folge „Nord Nord Mord“ mit mir gelaufen, auf die mich auch sehr viele
angesprochen haben oder als bei Netflix die Serie „Oktoberfest 1900“, bei
der ich eine eher unrühmliche Rolle hatte und durch den Abort entsorgt wurde
(lacht), ganz oben auf der Liste stand, haben mich die Zuschauer eben
von da erkannt. Lustig ist es auch, wenn ich z.B. am Flughafen von
sogenannten „Exil-Bayern“ angeredet werde, die mir dann sagen sie schauen
auch im Ausland „Dahoam is dahoam“, weil sie das an die Heimat erinnert.
|
Bild: BR/Marco O. Pichler
© Constantin |
B K:
Mir
persönlich sind Sie ja das erste Mal beim Film „Schwere Jungs“ aus 2006 von
Marcus H. Rosenmüller aufgefallen.
M G:
Darauf hat mich auch gestern jemand beim Nockherberg angesprochen.
Wahrscheinlich, weil ich neben Sebastian Bezzel gesessen bin. Wenn wir beide zu
sehen sind, kommt aber meistens „Guglhupfgeschwader“ zur Sprache, weil das noch
präsenter ist. Manchmal muss ich selbst etwas grübeln, welcher Film gerade bei
den Leuten im Kopf ist. Als der Film „In aller Stille“, bei dem ich einen
Kindsmörder gespielt habe, gerade rauskam und viele Preise gewonnen hatte, da
wurde ich von vielen erkannt. Und gleichzeitig sagten welche „Nein, den kenne
ich doch als Knecht von Forsthaus Falkenau!“. Dann denke ich mir
„Stimmt, das war ich auch.“ (lacht)
Es ist immer schön, wenn man eine Rückmeldung für seine Arbeit bekommt. Auch
wenn sie nicht positiv ist. Ich mag es auch, wenn Leute sagen „Das hat mir nicht
so gefallen“. Ich kann oft unterscheiden, ob es an mir liegt oder vielleicht am
Stoff bzw. am Thema des Films oder der Serie. Wenn jemand lieber heitere Sachen
mag, dann ist er für meine Rolle als Kindermörder vielleicht nicht unbedingt
Feuer und Flamme. Manchmal ist es ein bisschen schade, wenn ich erklären muss,
was mein Beruf ist. „Sonst sans immer so ned und da waren’s so bös!“. (lacht)
Es gibt Kollegen, die sind wie ich und wollen viel Verschiedenes spielen und
andere pflegen vielleicht lieber ein Rollenfach, wie z.B. als Sympath oder als
Finsterling. Damit kann ich jetzt nicht dienen. Dafür habe ich zu viele Alter
Egos. (lacht)
B K:
Was ist
Ihnen denn lieber? Der Sympath oder der Unsympath?
M G:
Mit
der Aussage „Die schöneren Rollen sind die Bösen“ kann ich nicht immer d’accord
gehen. Das kann stimmen, muss aber nicht. Pauschal lässt sich das sehr schwer
sagen. Für mich persönlich schaue ich natürlich, dass ich in jeder Rolle einen
Reiz entdecke, die sie mich gerne spielen lässt. Da überlege ich immer, was eine
bestimmte Figur auszeichnet. Deshalb sind die auch nicht alle gleich, sondern
unterscheiden sich voneinander.
B K:
Man
kennt Sie nicht nur im bayrischen Raum. Spielen Sie trotzdem gerne in Ihrem
Heimatdialekt?
M G:
Ja,
aber auch nicht nur. Ich finde es schön, wenn ich auch in andere Mundarten
reinschmecken kann, wobei man dann immer aufpassen muss, dass es nicht zu
gestelzt oder aufgesetzt klingt. Natürlich ist es ein bisschen schade, wenn ein
Regisseur fragt „Können sie auch Hochdeutsch?“ oder bei einer Sprechertätigkeit
„Lesen sie dann mit Akzent?“. Natürlich bin es des Standarddeutschen mächtig. (lacht)
Gerne setze ich aber meine Mundart ein, wo sie angebracht ist. Es ist doch
schön, wenn man da am Rädchen drehen kann und vom Hochdeutsch bis zu einem
„recht an hoglbuachan Boarisch“. (lacht)
B K:
Bleiben
wir mal in Bayern. „Die Rosenheim Cops“ haben Sie ja schon angesprochen. Warum
glauben Sie funktioniert diese Reihe so gut?
M G:
Zum einen ist
das Grundkonzept natürlich sehr schön. Es ist zwar ein bisschen merkwürdig, aber
bei uns sind fast 80% der Film- und Serieninhalte Krimis. In anderen Ländern ist
das nicht so. Das ist ein sehr deutsches bzw. mitteleuropäisches Phänomen. „Die
Rosenheim Cops“ werden dem deutschen Vorabend sehr gerecht. Die Zuschauer
bekommen ihren Krimi, es ist nie zu brutal oder gar blutrünstig und gleichzeitig
ist es in leichter Unterhaltung eingebettet. Ich sehe das auch nicht als
Beleidigung, wenn mir Leute erzählen, dass sie dabei gut entspannen oder sogar
einschlafen können. Man weiß ja, was so ein Format will. Die Unterhaltung hängt
sich an einer leichten Krimigeschichte auf, die am Ende immer gelöst wird. Man
hat zum Schluß ein gutes Gewissen und weiß, die Guten haben gewonnen. Es gibt
kein offenes Ende und es werden keine großen sozialen Dramen behandelt. Hier
werden schön die Randthemen des Alltags dargestellt und das in einer gemütlichen
bayrischen Art mit regionalem Bezug. Zum anderen schaffen es allen voran meine
großartigen Kollegen Marisa Burger und Max Müller als Stockl und Mohr, das Ganze
schon fast zu einer „Commedia del’arte“ zu machen. D.h. ein Stegreif-Spiel mit
festen Rollen, wo man schon weiß, was von einer bestimmten Figur zu erwarten
ist. Das ist glaube ich deshalb für viele Zuschauer etwas Schönes, um
runterzukommen und ein Erfolgsrezept, das deshalb schon seit Jahrzehnten
funktioniert.
B K:
Viele
Fans unserer Seite trauern noch dem „Kommissar Pascha“ nach. Eine Reihe mit
Ihrer Beteiligung, die aber nach dem zweiten Fall nicht mehr fortgesetzt wurde.
M G:
Da
kann ich nur sagen, dem trauern wir auch nach. Ich habe Tim Seyfi neulich beim
bayerischen Filmpreis getroffen. Gerade wir vier Ermittler, also Tim, Theresa
Hanich, Almila Bagriacik und ich, hatten sehr gut zusammengefunden und hätten
auch Lust auf mehr gehabt. Su Turhan, der ja noch vor Erscheinen der ersten
beiden Filme 5 Bücher vom Kommissar Pascha geschrieben hatte, hat erzählt, dass
er beim Schreiben von Band 6 und 7 etwas von unseren Filmfiguren übernommen hat.
Das wäre also etwas Schönes gewesen. Vielleicht war es mit Erscheinen des
zweiten Teils „Bierleichen“ eine etwas ungünstige Zeit, in der Recep Erdogan
wieder sehr laut wurde und man nicht bereit war zu viel Türkentum zu zeigen oder
zu schauen. Der Grund wäre allerdings albern, da wir es wirklich sehr nett
erzählt haben und Tim Seyfi sich und den Pascha auch eher als bayerischer Türke
sieht. Also uns hätte es auf jeden Fall auch Spaß gemacht das weiterzuführen.
B K:
Besonders von der Kritik gelobt wurde vor 3 Jahren auch Ihr Film „Tanze Tango
mit mir“. Können Sie den Tanz noch?
M G:
Leider nicht mehr in dem Maße, wie es da nötig war und ich müsste mich wieder
etwas reinfuchsen, aber es geht immer noch, ja und ist einfach schön.
Bild: BR/die film
gmbh/Hendrik Heiden
B K:
Zudem
beherrschen Sie ja auch noch eine Schwertkampfkunst.
M G:
Ja,
Iaido. Das haben wir auf der Schauspielschule gelernt und ist etwas Wunderbares,
dass man für sich und seinen Körper gerne weiterführen kann. Im übrigens mache
ich seit der Schauspielschule immer noch Feldenkrais, eine Methode, bei der man
die Beweglichkeit seines Körpers verbessern und fit halten kann. Der Körper ist
unter anderem mein Instrument, mit dem ich arbeite und der sollte nicht zugrunde
gehen. (lacht)
B K:
Instrumente spielen Sie ja auch noch. Wäre Musiker tatsächlich auch ein Beruf
für Sie gewesen?
M G:
Absolut.
Das war auch in meinen Überlegungen vorhanden. Ich habe gerade den Brandner
Kaspar in Füssen gespielt, am Deutschen Theater viel gesungen und „Der
Kontrabass“ von Patrick Süskind gespielt. Es ist also gut, dass ich mit
Streichinstrumenten auch umgehen kann. Bei neuesten Stück „Anatevka“ im
Hofspielhaus, wo ich den Tevje spiele, werde ich auch wieder viel singen. Musik
lässt sich mit der Schauspielerei am leichtesten kombinieren. Eine musikalische
Ader und Grundbegabung sind also vorhanden. Ich liebe Musik sie macht mir in
vielen verschieden Bereichen meines Berufs auch großen Spaß. Deswegen wäre das
neben der Schauspielerei immer eine Alternative gewesen.
B K:
Gibt es
eine Rolle, die Sie gerne mal spielen würden, aber noch nie gespielt haben?
M G:
Eine ganz bestimmte Traumrolle nicht. Aber sicher liest man mal ein schönes
Stück, auf das man Lust hat. Manchmal gehe ich dann so etwas einfach an und
spiele es oder schiebe ein bestimmtes Projekt an. Das hört sich jetzt so einfach
an und als wäre immer alles in Butter. Das ist natürlich nicht immer so, aber
ich habe nie Gedanken in der Richtung „Ah, ich wollte doch unbedingt mal…“. Das
Schöne ist: Ich durfte schon so viele verschiedene Sachen spielen und in alle
Richtungen gehen. Die richtig bösen, die oberflächigen, die tiefgründigen und
die ganz lustigen. Auf immer das Gleiche hätte ich wenig Lust. Wie schon gesagt,
suche ich hier mit vielen verschiedenen Sachen einen Ausgleich zu schaffen.
B K:
Dann
muss ich andersherum wahrscheinlich gar nicht fragen, ob es etwas gibt, dass Sie
auf keinen Fall spielen würden.
M G:
(überlegt)
Es gibt nicht
per se gegen eine bestimmte Rolle vorbehalte. Ich möchte mich nur gerne mit
Leuten einigen, was für eine Geschichte wir erzählen wollen. Sobald mir da etwas
zum dumm, blödsinnig oder an den Haaren herbeigezogen erscheint, mag ich nicht
mitmachen. Zum Beispiel war ich auch schon nackt in „Schwere Jungs“ oder in der
Sauna bei der Serie „Falk“. Ich würde mich aber nicht nackig machen, nur um sich
nackig zu machen. Wenn die Voraussetzungen stimmen, dann lasse ich mich im
Prinzip auf alles ein, weil das mein Beruf ist. Aber ich mag es nicht, wenn es
nur etwas Effekthascherisches ist.
B K:
Es geht
dann also eher um das Projekt als um eine bestimmte Rolle.
M G:
(überlegt)
Ja, das Projekt und um die Personen, die beteiligt sind. Als Beispiel:
Schauspiel ist ein schöner Beruf und natürlich werden auch öfter Kinder besetzt.
Ich hätte dann aber ganz gerne, dass sehr auf sie aufgepasst wird. Die sollten
nicht mehr als nötig beansprucht werden. Hier bin ich relativ strikt. Wenn es
eine Szene gibt, in der ich einen Jungen vergewaltigen soll, dann rufe ich
vorher bei der Regie an: „Was willst du erzählen? Was soll gezeigt werden? Wie
werden die Kinder angefasst? Wie ist die Betreuung am Set?“ Wenn ich merke, da
gibt es Nachlässigkeiten, dann erhebe ich meinen Einwand, werde unter Umständen
laut oder ziehe meine Teilnahme zurück. Wenn da alles passt, dann kann man auch
mit so einer Rolle arbeiten. Zumindest waren das bisher meine Erfahrungen. Auf
der anderen Seite würde ich etwas, dass sehr propagandistisches ist, auch nicht
machen wollen. Filmemacher haben ja oft auch eine politische Meinung und
transportieren eine Aussage. Ich bin wirklich nach vielen Seiten offen, tolerier
sehr viel und habe Verständnis in jede Richtung. Ich sehe da die Freiheit der
Kunst. Da soll man fast alles zeigen und sagen dürfen, aber missbrauchen lassen
für bestimmte Dinge jenseits der Grenze, möchte ich mich nicht.
B K:
Nicht
politisch, aber sportlich waren Sie bei der Serie „Gute Freunde – Der Aufstieg
des FC Bayern“, die im letzten Jahr erfolgreich bei RTL+ lief, auf der Seite des
FC Bayern. Da muss ich natürlich fragen: Sind Sie überhaupt Fußball-Fan?
M G:
Also, im streng etymologischen Sinne des Wortes „Fan“, also „Fanatic“, bin ich
es nicht. (lacht) Das ist im Deutschen etwas absurd, weil ja als „Fan“
jeder Anhänger bezeichnet wird. „Fanatic“ wären dann ja eher die Ultras oder so.
Ich bin auch nicht Anhänger EINER Mannschaft. Ich kann es verstehen, dass Leute
ihre Identität dadurch prägen, FC Bayern- oder 1860-Fan zu sein. Mir hat das
aber nie etwas gegeben. Ich kann nicht stolz sein, auf etwas, das ich nicht
gemacht habe, oder wenn jemand anderes gut spielt. Das ist schön und man
entwickelt ein Gemeinschaftsgefühl, aber darauf kann ich nicht stolz sein.
Allerdings schaut meine Frau gerne Fußball und sie hat mich da etwas eingeführt.
Deswegen weiß ich gute Spiele wirklich zu schätzen und kann auch mitfiebern,
aber eben nicht unbedingt nur für einen Verein.
Foto: RTL / Frank Dicks |
B K:
Wie
ich ihn kenne, würde Ihr Kollege Tim Seyfi da ganz anders denken.
M G:
(lacht)
Oh ja. Der Tim hat seinen lieblingsdeutschen Verein, seinen hassdeutschen
Verein und seinen lieblings- und hasstürkischen Verein. In der Serie habe
ich mir deswegen von ihm auch nur die Haare schneiden lassen. (lacht)
Als Münchner bin ich natürlich mit der Geschichte des FC Bayern und den
Sechzgern vertraut.
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B K:
Wie war
die Arbeit bei dieser Serie und wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?
M G:
Für
mich war „Gute Freunde“ eine schöne Arbeit. Einen Wilhelm Neudecker (Präsident
des FC Bayern von 1962 – 79) zu spielen war nicht leicht. Im Gegensatz zu
anderen Figuren, gab es von ihm sehr wenig Vorlagen. Ein paar Fotos, ein paar
Aussagen, aber kaum bewegte Bilder. Und die, die ihn kannten, sprechen oder
erzählten auf sehr unterschiedliche Weise von ihm. Hier haben aber die Autoren
und die Produktion seine sehr solide Arbeit geleistet. Da konnte ich dann viel
nachfragen und auch etwas selbst recherchieren. Es sollte ja auch nicht eine
Biografie von Neudecker darstellen, von dem her musste ich auch nicht
100prozentig übereinstimmen. Zuerst dachte ich mir, dass das viel zu viel
Geschimpfe ist. Aber letztendlich war das dramaturgisch notwendig, dass von ihm
immer Druck ausgeht. Der ist nie ruhig und macht immer ein Fass auf. Privat wird
von ihm in der Serie ja nichts erzählt. Die Aufgabe meiner Figur war es also,
immer so zu agieren, damit das Ganze weitergeht und funktioniert. Von Neudecker
weiß man auch, dass er ein harter Geschäftsmann war und sehr erfolgsbesessen.
Alles, was er selbst nicht konnte, hat er delegiert, weshalb es ja auch Robert
Schwan in dieser Funktion im Verein gab. Im Grunde ist seine Biografie ein
bisschen die Geschichte vom kleinen Maurer aus Straubing, der sich zum Millionär
hochgearbeitet hat. Der schon etwas auf dem Kasten hatte, aber nie der
Intellektuelle war und in die Münchner Gesellschaft wollte. Kultur in dem Sinn
ist für ihn nichts, also versucht er es über den Sport und schaut bei den
Sechzgern vorbei, weil sein Bruder in Giesing gelebt hat. Nachgewiesen ist, dass
ihm der Friseur Niggl (in der Serie von Tim Seyfi dargestellt) den FC Bayern
empfohlen habe. Schlitzohrig wie er war, hat er sich erstmal nur interimsmäßig
wählen lassen. Ich habe nachgelesen, dass er Dreivierteljahr nach seiner Wahl
immer noch nicht Registergericht als Präsident eingetragen war. Dadurch hätte er
nämlich alle Schulden und Missstände übernehmen müssen. Schließlich hat er es
gemacht und investierte in den Verein unter seinen Voraussetzungen. Das sagt ja
auch einiges über den Menschen aus. Dem Regisseur David Dietl haben meine
Schimpftiraden auf jeden Fall gefallen. Er meinte „Normalerweise mag ich es
nicht, wenn einer immer so rumschreit, aber bei dir gefällt es mir“. (lacht)
Also haben wir es so gemacht.
B K:
So weit
ich Paul Breitner verstanden habe, war es wohl ziemlich nah an der Realität.
M G:
Hm,
nicht ganz. Uli Hoeneß meinte bei der Premiere wohl soetwas wie „Ganz so schlimm
war er ned.“. Und Paul Breitner meinte: „Das habt ihr für’s Fernsehen
wahrscheinlich abmildern müssen, um zu zeigen, dass er nicht so ein A… war“.
(lacht) Wenn ich also mit meiner Darstellung dazwischen liege, dann war es
vielleicht gar nicht schlecht.
B K:
Auch
Ihnen stelle ich jetzt die letzte Frage, bei der es um Ihre persönliche
bayerische Lieblingsserie geht.
M G:
(überlegt)
Da gibt es
viele schöne Serien und mir fällt die Auswahl schwer. Ich lasse mal die
Klassiker wie „Irgendwie und Sowieso“, „Monaco Franze“, „Kir Royal“ oder auch
„Münchner Geschichten“ außen vor, weil das wirkliche Leitlinien sind und
großartig ausgearbeitet. (überlegt weiter) Wenn ich an meine Kindheit denke,
dann an das „Königlich Bayerische Amtsgericht“, dass mich ein Stück weit geprägt
hat und natürlich „Meister Eder und sein Pumuckl“ mit Gustl Bayrhammer. Übrigens
ist auch der neue, mit Florian Brückner, sehenswert. Auch „München 7“, bei der
ich sogar mal mitgespielt habe, oder „Cafe Meineid“ haben bei mir schon ein
gewisses Weltbild geschaffen. Und ich denke auch „Oktoberfest 1900“ hat das Zeug
zu einem Klassiker zu werden.
B K:
Ich
danke Ihnen für das Gespräch Herr Grimm.
M G:
Sehr gerne!
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