Interview mit Wolfgang Fierek

(27.01.2023 München/Literaturhaus)

Beim BR-Filmbrunch zur Vorstellung des neuen München-Krimis "Tatort: Königinnen".

Bayerische Kultserien: Herr Fierek, kann es sein, dass das erst Ihr zweiter "Tatort" ist, bei dem Sie mitspielen?

Wolfgang Fierek: (überlegt) Ich glaube es ist der dritte. Einmal hab ich einen Motorradfahrer gespielt, der einen Bankraub gemacht hat und dann einen Unfall hatte und gestorben ist. Beim zweiten Tatort hab ich einen Hehler draußen beim Ostbahnhof gespielt.

B K: Sind die Rollen beim Tatort dann die einzigen, bei denen Sie auch mal einen unsympathischen Charakter spielen?

W F: Ein Schauspieler ist ja froh, wenn er alles mögliche oder zumindest ein kleines Spektrum von allem spielen kann.

B K: Wie ist das bei Ihrer Rolle im neuen Tatort als Präsident des Bavaria Bunds Josef Gerling?

W F: Der Gerling ist nicht ganz unsympathisch. Er hat eine menschliche Seite, die auch durchkommt, als er merkt, dass seine Freundin schwanger ist und abtreiben will. Ich würde einfach sagen er ist ein Mensch und als solcher hat man immer verschiedene Seiten. Wir sind alle von unseren Eindrücken und Erfahrungen beeinflusst und nicht immer nur Clowns, die nur Spaß machen. Deswegen ist Josef Gerling jemand, der sich so durchs Leben lebt und dabei diverse Gelegenheiten wahrnimmt. Dabei missbraucht er hin- und wieder kleine Produktköniginnen. Auf der einen Seite ist er eine Drecksau und auf der anderen Seite ein Mensch, bei dem es wie bei jedem heißt: Gelegenheit macht Diebe. Wer ganz ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein heißt es ja und da ist ein ganz eindeutiges Urteil nicht immer einfach.

B K: Das heißt irgendwie kann man sich sogar mit so einer Rolle identifizieren? Auch als Zuschauer?

W F: Ich glaube wenn ein Mensch selbstkritisch ist, dann weiß er, dass er nicht alles im Leben richtig gemacht hat. Ich will nicht sagen falsch gemacht. Aber woher sollen wir in diversen Situationen wissen, dass wir jetzt genau so entscheiden müssen, damit es später richtig ist. Ich bin auch ein Mensch, der sehr impulsiv ist und vielleicht hätte ich viele Entscheidungen auch anders machen können. Meine Frau sagt immer: "Du bist echt gut. Mit Dir weiß man nie, ob da vorne jetzt rechts abgebogen wird oder links!" (lacht) Ich glaube das ist im Leben auch so, dass man nie optimal entscheidet. Aber warum auch.

B K: In der Vergangenheit hatte Sie ja meist die Rolle des Hallodri oder des sympathischen Chaoten...

W F: Ich hatte ja das Glück damals Klaus Lemke zu treffen, dem ich mein gutes und schönes Leben als Schauspieler zu verdanken habe. Er hat einfach erkannt, dass ich eben dieser liebenswerte "Hallodri" bin. Vielleicht weil ich das einfach so lebe. Gerade als Junggeselle hab ich damals nie nachgedacht was morgen ist. Ich habe nicht mal nachgedacht, was in der nächsten Stunde ist, sondern wirklich einfach nur "gelebt". Vor kurzem hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit einem Coach, der meinte "Wolfgang, jetzt hab ich Dich schon lange Jahre beobachtet. Du überlegst nicht lange, sondern tust viele Dinge einfach. Eine Harley besorgen, ein Haus in Amerika kaufen..." Ich bin sicher es gibt nicht viele Leute, die innerhalb eines Tages entscheiden, sich ein Haus in Amerika zu kaufen. (lacht) Ich meine, die USA sind schließlich 10.000 km weit weg. Aber ich hab das getan, weil ich es so empfunden habe. Meine Frau ist gottseidank jemand, der da mitzieht. Genauso ist das mit den Rollen. Ich bin froh, wenn ich den Zuschauern Freude bereiten kann oder wenn gesagt wird "Das ist doch ein Hundling!". Das ist doch was tolles. Ich hatte mal eine sehr interessante Begegnung in Italien mit einem älteren Mann. Dort bin ich in der Früh mit der Harley in ein Cafe gefahren, wo ich mit ihm auch über mein Motorrad ins Gespräch kam. Irgendwann hat er mich eine Zeit lang beobachtet und gefragt: "Sind sie Künstler?" Ich erwiderte dann: "Was meinen sie?" - Sie machen doch irgendwas künstlerisches" - "Ja , ich bin Schauspieler". Er meinte: "Die Schauspieler sind die gesegneten Leute, weil sie uns zum Lachen und zum Nachdenken bringen und uns unterhalten. Die Sänger sind genauso." Das ist jetzt ca. 30 Jahre her und damals habe ich gemerkt, was für eine schöne Gabe ich vom lieben Gott bekommen habe. Ich finde das eine schöne Sache, wenn man es so sieht. Klar kann ich auch einen Mörder spielen. Das kann jeder. Das ist auch interessant, aber ich bin kein Mörder und ich will auch keinen spielen. Ich spiele weiter meine Rollen in dieser Art und Weise und das kann ich dann auch mit der entsprechenden Inbrunst, weil ich es so fühle.

 

B K: Ich hatte ja auch mal ein Interview mit dem Regisseur Rüdiger Nüchtern, den Sie ja sicher noch kennen.

W F: Ja klar... "Der Schwammerlkönig". (grinst)

B K: Er meinte, dass Sie damals eigentlich kein richtiger Schauspieler gewesen sind, aber Rollen hatten, die Ihrer Art entsprachen und damit auch eine glaubwürdige Ausstrahlung. Sie haben ja nie Schauspieler gelernt und kamen zufällig dazu, richtig?

W F: Ein Freund von mir, mit dem ich damals nach der Bundeswehr zusammengewohnt habe, wollte unbedingt eine Rolle in Klaus Lemkes nächsten Film. Ich habe ihn da zum Casting gefahren. Und wer wurde genommen? Ich. (lacht) Obwohl ich gar nichts gemacht hab. Da hat der Klaus wahrscheinlich mein Talent gesehen. Ich bin kein gelernter Schauspieler, aber totaler Cineast, der viel beobachtet und wissen will, aber mich dieser oder jener Darsteller berührt. Vielleicht adaptiere ich auch davon ein bisschen. Ich habe selbstverständlich auch das Glück gehabt, in Serien wie "Zwei Münchner in Hamburg" oder eben auch "Der Schwammerlkönig" mitspielen zu dürfen, wo ich dann die Hauptrolle hatte. Ebenso in "Ein Bayer auf Rügen". Warum gab es da 11,4 Millionen Einschaltquote? Scheinbar habe ich doch etwas, was die Leute fasziniert. Dafür bin und war ich immer sehr dankbar.

 

B K: Sie haben auch schon mit vielen großartigen Schauspielern spielen dürfen. Wo früher beispielsweise Walter Sedlmayr zu den Erfahrenen gehörte sie der Jungspund waren, ist es mittlerweile so, dass man Sie auch zur alten Garde zählen darf.

W F: (lacht) Ich wach ja gottseidank jeden Tag auf und lehne mich meistens so ca. 10 Minuten in meinem Bett zurück und denke nach. Manchmal habe ich dann genau diese Gedanken, von denen sie gerade gesprochen haben. Da denk ich mir: "Mensch, was hast Du eigentlich schon alles hinter Dir und erlebt." Das ist genauso wie sie sagen. Ich kann mich noch erinnern, als mit Blacky Fuchsberger bei unserem ersten Klaus Lemke Spielfilm gesagt hat: "Wolfgang, du wirst mal ein ganz großer." Werd ich nie vergessen! Da war ich elektrisiert. Mit Namen zu spielen wie Hans Brenner, Gerd Baltus...(überlegt) und natürlich Walter Sedlmayr. Das waren Ritterschläge für mich! Ich habe ja normalerweise immer eine große Klappe. Einfach weil ich mein Herz auf der Zunge habe. Damit will ich nie jemand beleidigen, aber ich habe bis jetzt immer gesagt was ich mir gedacht habe. Manchmal zu meinem Vorteil und manchmal zum Nachteil, was mir aber egal war, weil ich mich da nicht ändere. Aber selbst ich war beim Walter Sedlmayr gebremst wenn ich ehrlich bin. Es kam dann zu einem großen Eklat. Walter war ein "alter Hundling" wie man so schön sagt, der gewusst hat wie es geht. Er hat auf einmal meine Pointen umgeschrieben, so dass diese in seinem Text lagen. Da habe ich gesagt: "Walter, das geht nicht!" Es kam wie gesagt zum Eklat und wir haben uns glaube ich bestimmt eine halbe Stunde richtig arg gestritten. Er ist dann in die Garderobe gegangen und ich habe den Rüdiger (..Nüchtern, Regisseur bei "Der Schwammerlkönig") gefragt, was wir jetzt machen sollen. "Du, warte mal ab. Wir machen jetzt erst mal Mittagspause." Dann kam irgendwann mal der Walter am Set zu mir und meinte "Bua, Du hast ja recht, aber du musst mi a versteh!" Ich meinte zu ihm: "Walter, ich verehre dich über alles, aber ich glaube du warst doch früher auch nicht anders." - "Ja, stimmt schon! Jetzt geh ma was essen!". (lacht) Walter Sedlmayr war wirklich ein toller Mensch mit viel Herz. Er war ein bayerischer Grantler, aber natürlich ein phänomenaler Schauspieler mit so viel Talent. Egal was er gemacht hat, jede Bewegung war richtig. Deswegen habe ich z.B. von ihm auch viel gelernt.

B K: Eine schöne Anekdote, wo man doch auf jeden Fall denkt, dass Sie menschlich das komplette Gegenteil von ihm sind.

W F: Wir haben und sehr gut verstanden. Eigentlich war der Walter einfach einsam. Auch aufgrund seiner Veranlagung. Es ist schade, dass die Menschen da manchmal immer noch so dämlich sind und über so was diskutiert wird. Wenn ein Modeschöpfer, deren Marken alle gerne tragen, schwul ist, dann ist das völlig normal, aber wenn jemand einen anderen Beruf hat, dann wird er zu oft noch extrem darauf reduziert und verdammt. Das ist ein bisschen verlogen. So wie die Welt zum Teil eben leider ist. Walter und ich haben sehr oft telefoniert und das auch noch bis zu drei Tage vor seinem Tod. Es erfüllt mich aber mit ganz viel Stolz so jemand kennen gelernt zu haben.

B K: Was haben Sie denn ursprünglich gelernt?

W F: Feinmechaniker. Ich hatte damals die zweitbeste Abschlussprüfung von Bayern. Ich wollte bei Arnold & Richter, also ARRI anfangen. Weil diese aber damals einen Einstellungs-Stopp hatten, bin ich ins Cafe Capri gegangen. Dort war auch Klaus Lemke und so hat sich dann der Rest entwickelt. Alles hat irgendwo einen Sinn.

B K: Jetzt haben wir viel über früher geredet. Sie drehen ja zum Glück heute immer noch. Wie beurteilen Sie die heutige Film- und Fernsehlandschaft im Gegensatz zu früher? Es gibt Streaming-Dienste, alles muss schneller gehen...

W F: Wie gesagt beobachte ich gern alles. Sowohl den deutschen, als auch den amerikanischen Markt. Und die Amis können es einfach. Was Sie gesagt haben mit "es muss schneller gehen" (überlegt), das glaube ich nicht. Qualität braucht seine Zeit. Und die kostet dann Geld, ganz klar. Ein gutes Produkt spielt das aber auch ein. Logisch, gute Schauspieler, Kameramänner, Regisseure, das alles kostet Geld. Im Zusammenhang mit einem guten Drehbuch wird das dann aber auch was. Man darf nur nicht den Fehler machen und sagen: "Ja ja, das kriegen wir so auch hin!". Das stimmt nicht! Du kannst alle anlügen, aber nicht den Zuschauer. Der ist unbestechlich, weil er sonst nix davon hat. Der sitzt da, schaut sich den Film an und wenn das nach 10 Minuten nicht hinhaut, dann schaltet er um. Das muss man eben schaffen. Ich schaue mir alle möglichen Serien an, auch bei Streaming-Anbietern. Gerade aus den USA gibt es ein paar, wo man sich denkt: Wie machen die das? Das Ganze ist nun mal ein Geschäft, ein Business und da gibt es wenig Platz für Unprofessionalität. Und das haben die einfach drauf.

B K: Warum können wir das in Deutschland nicht ganz so gut?

W F: Das will ich so gar nicht behaupten. Aber schaue mir wirklich viel aus den USA an und ich glaube behaupten zu können, dass ich nach 30 Sekunden sagen kann, ob ein Film gut oder schlecht ist. Das merkt man an den ersten Einstellungen, am ersten Satz, den ein Schauspieler sagt und WIE er ihn sagt. Man merkt es einfach, das ist so. Ich kenne mich nicht damit aus, inwiefern Redakteure hierzulande Druck haben und aus Kostengründen Einfluss aufs Drehbuch nehmen. Tatsächlich schaue ich mir wenig deutsche Filme an. Aber nehmen sie als Beispiel mal "Das Leben der anderen", den ich im Flugzeug gesehen habe. Da war ich geplättet, wie gut wir sein können. Höchstes Niveau, aufgrund dessen er auch einen Oscar bekommen hat und nicht weil er in der DDR gespielt hat. Mit guter Qualität geht das.

B K: Ist Ihnen das auch bei sich selber wichtig?

W F: Ein Beispiel: Ich habe die letzten 7 Jahre Motorrad-Touren gemacht und wollte immer, dass meine die besten sind! Ich habe auch ein bisschen mit dem Gewinn bzw. meinem Verdienst nachlassen müssen, aber das war mir egal. Ich wollte, dass die Leute, die bei mir mitgefahren sind etwas zu erzählen haben und sagen: "Das war der Hammer!". Da setze ich die Latte bei mit schon hoch. Wenn ich drehe gehe ich früh ins Bett, trinke nichts und bin wenn es geht der erste am Set. Wenn es heißt Beginn um 8:15 Uhr, dann bin ich um 8 Uhr da. Das sind auch Dinge, die ich von meinem Vater gelernt habe. Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und wenn Menschen in dich Vertrauen setzen, dann missbrauche es nicht. Diese Richtwerte habe ich schon.

B K: Nach all dieser Zeit wird ja auch gerade Ihr Name mit dem Begriff "Kult" verbunden. Was können Sie mit dem Begriff anfangen?

W F: (lacht) Ich fühle mich da wahnsinnig geehrt. Als ich mal vor der Pandemie mit meiner Frau auf dem Oktoberfest war, hat meine Frau beim auf die Toilette gehen ein Gespräch von Gästen mitbekommen. Sie meinte dann zu mir: "Weißt Du was da gerade ein Mädchen gesagt hat? Da ist der Fierek. Der ist Kult!". Ich habe gleich Gänsehaut bekommen. Irgendwie verkörpere ich wohl auch die Jugend und das bis in mein Alter. Meine unkonventionelle Lebensweise spielt da bestimmt auch eine Rolle. Ich habe mich nur angepasst, wenn es unbedingt sein musste. Aber nur ungern. Ich habe meinen eigenen Kleidungsstil, trage Cowboystiefel und Hawaiihemd und fahre Harley weil ich es will. Obwohl ich mal ein Riesenangebot von BMW bekommen habe um damals ein Motorrad zu promoten. Ich meinte: "Leute, ich kann das nicht. Ich kann das nicht verraten.". Ich fühlte mich wahnsinnig geehrt, weil BMW eines der besten Motorräder der Welt ist, wenn nicht sogar das beste. Aber das war einfach nicht ich. Das ist auch nicht konstruiert. Die Harley habe ich damals nicht gekauft wo es gerade IN war eine zu fahren, sondern weil mein Vater eine hatte und weil ich "Easy Rider" gesehen hab. Weil ich dieses Freiheitsgefühl wollte. Außerdem ist der Name HARLEY DAVIDSON schon allein phonetisch viel geiler als BMW oder ARDI. Gut, DUCATI ist vielleicht auch nicht schlecht. (lacht) Aber für für mich ist eine Harley einfach das geilste Motorrad.

B K: Ich finde ein sehr gutes Abschluss-Statement!

W F: (lacht) Bitte, sehr gerne!

 

Tatort "Königinnen" mit Wolfang Fierek, Ausstrahlung: geplant für 2023, Sonntag, 20.15 Uhr, im Ersten

 
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