Bayerische Kultserien:
Wenn
man sich die Liste der Produktionen ansieht, bei denen Sie schon dabei waren,
dann ist die schon um einiges länger als bei manchen Kollegen. Außerdem sind Sie noch Synchronsprecher und
veranstalten
Lesungen. Ist die Bezeichnung „Workaholic“ angebracht?
Thomas Darchinger:
(grinst) Ich hatte im
November meinen letzten Drehtag für das Jahr 2014 und habe gleich zwei Tage
später völlig panisch meine Agentur angerufen und gesagt: „Hilfe, ich habe die
nächsten drei Wochen keinen Dreh!“. Da kam als Antwort nur: „Beruhig dich. Du
hattest soviel Arbeit in diesem Jahr und kannst dich jetzt mal entspannen.“
Scheinbar fällt mir das wirklich schwer. Das hat aber sicherlich auch damit zu
tun, dass beim Beruf des Schauspielers immer eine Angst impliziert ist, dass es
nicht mehr weitergeht und es mal abreißt. Gerade im Winter gibt es ja meistens
ein Loch. Dann hat man manchmal das Gefühl: „Hoffentlich ist nächstes Jahr nicht
tote Hose!“ Deswegen spielen viele Kollegen ja im Winter Theater. Das wird für
mich auch eine Option für die Zukunft. Grundsätzlich kann ich schon sagen, dass
ich extrem gerne arbeite. Das Schlimmste an dem Beruf ist, ihn nicht ausüben zu
dürfen. Da können laut Statistik rund 80% der Kolleginnen und Kollegen ein Lied
davon singen, die nicht von diesem Beruf leben können. Ich klopfe jedes Jahr
wieder dreimal auf Holz, dass ich nicht dazu gehöre. Es ist ein Risikoberuf. Das
macht aber auch den Reiz aus. Im Risiko liegt schließlich das Abenteuer, das wir
alle suchen. Aber ich habe zwei Kinder, muß auch vernünftige Entscheidungen
treffen. Kann nicht alles ablehnen, was mir nicht zu 100% gefällt. Ich bin ja eh
auch relativ breit aufgestellt. Ich kann ja auch hochdeutsch. Ich hatte zwar
letztes Jahr fünf oder sechs Produktionen für den BR, war aber z.B. auch in
Berlin oder in Hamburg für den Tatort. Synchronsprechen geht ja auch nur auf
hochdeutsch, Für mich finde ich meine Mischung ganz stimmig, aber es hat auch
Nachteile. Von manchen bayerischen Regisseur werde ich dafür nicht als echter
Bayer wahrgenommen. Man wird ja immer wieder in Schubladen gesteckt. Der Bayer,
der nicht-Bayer, der Charakter-Darsteller, die Visage, der Schönling. Ganz
schlaue Kollegen stecken sich selber rein. Wie James Dean, George Clooney usw.
Die haben sich ein Image kreiert, das auch noch gut zu ihnen gepasst hat.
Beneidenswerte Klarheit und Zielstrebigkeit. Ich hab nie meine Karriere geplant.
Das hat den Effekt, dass man immer hin und her geschleudert wird. Mal spielt man
den Typus, dann wieder einen ganz anderen. Für mich ist das aber auch genau das
Spannende. Die Abwechslung.
B K:
Welche Arbeit macht Ihnen denn am meisten Spaß?
T D:
Ich hab letztes Jahr einen Tatort in Hamburg gemacht. Großartiger Regisseur, der
sehr genau weiß was er will, aber auch seinen Schauspielern Platz zur Entfaltung
lässt. Tolles Buch, tolle Kollegen. Und dann ist etwas passiert, was wirklich
wunderbar wahr. Egal wie profiliert jeder einzelne war, JEDER hat sich ohne
Eitelkeit und Schutzhülle auf die Suche begeben. Wir haben gemeinsam “die Hosen
runter gelassen” und jeder hat sich getraut, seine Unsicherheit in dem Moment
zuzulassen. Wenn Du bereit bist, den Schutzpanzer abzuwerfen und du dich nicht
auf dem bisher Erreichten ausruhst und das dann auch noch als Kollektiv, ja
meine Herren, ist das eine Freude!
B K:
Welchen
Stellenwert hat denn die „Löwengrube“ in Ihrer Karriere? Das war die erste
Fernsehproduktion für Sie, oder?
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© BR/Tellux Film GmbH |
T D:
Ich habe
davor mal mit dem Reinhard Hauff eine Simmel-Verfilmung gemacht. Der Regisseur
der „Löwengrube“, Rainer Wolfhardt hat mich im Theater gesehen und hat mich und
den Thomas Huber zu einem Casting für zwei verschiedene Rollen eingeladen. Ich
hatte dann das Glück den Maxi Grandauer spielen zu dürfen. Wobei mir das Glück
damals gar nicht bewusst war. (lacht) Heute weiß ich natürlich, dass das
Kult und eine der besten Serien ist, die in Deutschland gemacht wurden. Und ich werde tatsächlich immer noch auf der Straße darauf
angesprochen.
B K:
Hatten
Sie sich davor mit den Grandauers beschäftigt?
T D:
Ich bin zu der Geschichte wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Ich war am Theater
mit meinem 7-Tage Rhythmus beschäftigt und habe außerhalb davon wenig
mitbekommen. Das Medium Film war mir auch nicht vertraut und ich hatte auch ein
wenig Schiss vor der ganzen Sache. Dann waren da ja auch Kollegen dabei, die
schon sehr etabliert waren. Da gab es schon mehrere „Platzhirsche“ am Set
(lacht) und ich war dagegen ein eher kleines Licht. Rainer Wolffhardt hat mich
danach auch noch oft besetzt und ich mochte es immer sehr, mit ihm zu arbeiten.
Allein deswegen war die „Löwengrube“ für mich ein toller und markanter Punkt in
meiner Laufbahn. Im Nachhinein kann ich vielleicht sagen, den Fehler gemacht zu
haben, nach der Löwengrube wieder zurück ans Theater gegangen zu sein und den
Bekanntheitsgrad nicht ausgenutzt zu haben. Bis ich dann nach einigen Jahren
bemerkt habe, dass die Art, wie im Fernsehen und im Kino Geschichten erzählt
werden, meine Welt ist. Theater hatte ich da für mich ein Stück weit ausgereizt.
Aber da war der positive Schub, den mir die „Löwengrube“ gegeben hatte schon
verflogen und ich mußte viel Geduld haben, bis es bei mir richtig gut lief.
B K:
Sie
haben ja schon erwähnt, dass diese Serie bis heute einen Kultstatus hat.
Schließlich hat da auch das "Who is Who" der bayerischen Schauspieler
mitgewirkt. An wen haben Sie denn besondere Erinnerungen?
T D:
Ich habe viel
von denen gelernt, aber ich hatte auch großen Respekt. (überlegt) Am meisten
bewundert habe ich eigentlich das, was der Erich Hallhuber und der Jörg Hube
gemacht haben. Und der Michael Lerchenberg als mein Onkel Kurt, herrlich! Die
Franziska Stömmer… Insgesamt eine tolle Palette an Schauspielern, bei der ich
stolz bin, dabei gewesen zu sein.
B K:
Im
Vergleich zu heute andere Kaliber?
T D:
Schauen Sie, die Sender, die Programme, die Schauspieler sind heutzutage
allgemein einfach deutlich mehr geworden. Man nimmt einzelne Personen nicht mehr
so stark wahr wie früher. Deswegen entsteht da nicht mehr so schnell ein
Kultstatus. Es gibt heute sicher auch eine ganze Reihe an sehr interessanten
deutschen Schauspielern.
B K:
Mit
Ihrem Gesicht verbinden viele Zuschauer auch oft die Rolle des Bösewichts. Stört
Sie das?
T D:
Tatsächlich habe ich schon öfter den Mörder oder ähnliches gespielt, aber stören
tut mich das nicht. In Krimis ist das ja oft eher die spannendere Figur. Bei
„Hubert und Staller“ habe ich letztes Jahr z.B. auch einen Täter gespielt, von
der die Redaktion meinte, es wäre eine der besten Folgen dieser Serie gewesen.
Die kommt Anfang März und ich bin gespannt ob die Zuschauer es auch so sehen.
(lacht) Trotzdem finde ich natürlich auch positive Figuren sehr toll. Es wird ja
oft behauptet, das wären keine reizvollen Figuren, aber das halte ich für
Blödsinn. Auch hier kann man viele verschiedene Facetten spielen. Leider wird
das manchmal eher langweilig gespielt, weil es aber auch so inszeniert wird.
Filme, in denen viele gute Menschen vorkommen, bedienen ja oft Klischees. Fragen
Sie
mich nicht, warum. Klischees zu spielen ist aber so oder so nicht der Grund,
warum ich mir diesen Beruf ausgesucht habe. In einem großen französischen
Kinofilm habe ich allerdings mit Heinrich Himmler eine extrem negative Figur
gespielt. Ich habe natürlich trotzdem versucht, mich ihr so gut wie möglich zu
nähern. Nur dann ist der Beruf reizvoll und aufregend und nur dann werde ich
auch meiner Aufgabe gerecht. Aber nach dem letzten Drehtag hatte ich tatsächlich
Albträume. In Krimis ist es ja manchmal so, dass der Mörder auch gewisse
Sympathiewerte hat. Bei der Figur Himmler konnte man das so sicher nicht
darstellen. Diesen aber trotzdem als Menschen und nicht eindimensional als Dämon
zu zeigen, fand ich sehr spannend. Weil ich auch glaube, dass man als Zuschauer
dann auch mehr davon hat.
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© Wide Pictures |
B K:
Bleibt
die Frage nach der Rolle, die Sie am liebsten spielen...
T D:
Für mich ist eine Rolle immer dann interessant, wenn ich nicht dazu angehalten
werde, etwas zu wiederholen, was es schon 1000 Mal gegeben hat. Noch dazu oft
als Erfindung von Film und Fernsehen. Es gibt ja Charaktere im Fernsehen, die
bestehen nicht aus Charakterzügen mit all ihrer Widersprüchlichkeit, sondern nur
als Erfindung, mit der man es sich sehr einfach gemacht hat. Ein Abziehbild.
Spannend wird es, wenn es auch ein kleines Forschungsprojekt in Sachen Mensch
sein darf. Das liegt aber immer auch an einem selber, wie weit man bereit ist zu
suchen und dafür auch einzustehen, was dabei herauskommt. Aber ein gutes Buch
kann nicht schaden, und ein Regisseur, der auch mehr will, als bloß nichts
falsch zu machen. Gut forschen und gut unterhalten, das ist das Ziel. Dann macht
es Spaß, dann kommt hoffentlich ein Film heraus, den ich mir selber gerne
anschauen würde. Als Zuschauer will ich nämlich in erster Linie gut unterhalten
werden. Ich denke da wie Jean Luc Godard, der meinte “ich sehe lieber einen
schlechten amerikanischen Film als einen schlechten Norwegischen”.
B K:
Wie schon
erwähnt, sind Sie nicht nur in bayerischen Produktionen zu sehen, sondern sogar
auch in internationalen Filmen dabei....
T D:
Letztendlich ist das ja nichts, was man steuern kann. Zumindest habe ich nicht
das Gefühl ich könnte das. Wenn das glücklicherweise in einer Laufbahn auf einen
zukommt, dann nimmt man es mit. Ich durfte auch schon in einem kanadischen
Kinofilm mit einer großen internationalen Besetzung mitspielen. Da bin ich schon
dankbar, wenn ich dabei sein darf. Aber planen kann ich das nicht. Ich laufe
jetzt auch nicht mit einer Plakatwand durch die Gegend, wo draufsteht: "Ich kann
so was spielen, bitte besetzt mich!".
B K:
Wie groß
ist der Unterschied bei internationalen Produktionen im Vergleich?
T D:
Das Wort "groß" ist hier tatsächlich angebracht, denn natürlich sind
internationale Produktionen in der Regel viel größer. Bei dem französischem
Kinofilm hatten wir z.B. ein Team von 400 Leuten. Hier hat man im Schnitt 30 -
40 Leute, was auch schon als viel empfunden wird. Wenn man dann amerikanische
Produktionen im Vergleich sieht, dann wirkt das eher wie ein "Making Of"-Team.
Gelernt habe ich aber auch, das nicht automatisch ein besseres Ergebnis dabei
herauskommt. Wenn der nötige Wille vorhanden ist, dann kann auch ein kleiner
Stab mit wenig Geld Großes erschaffen. Geld allein macht nicht glücklich. Diese
Kritik muss ich übrigens auch am deutschen Fernsehen üben! Da wird ja oft die
Ausrede benutzt: "Wir haben ja auch nicht so ein großes Budget wie die
Amerikaner!". Ich halte das für einen totalen Unsinn. Ich glaube nicht, das es
am Geld liegt, sondern an zu wenig Leidenschaft und Mut.
© BR/Kerstin Stelter |
B K:
Trotzdem
fallen einem beim Namen "Thomas Darchinger" als erstes bayerische Produktionen
ein. Stört Sie das?
T D:
Nein.
B K:
Dann sind
Sie schon heimatverbunden?
T D:
Sehr. Aber nicht in dem Sinn, dass ich Traditionen unreflektiert übernehme. Ich
glaube, ich mußte erstmal alle Traditionen ablehnen, raus in die Welt, um sie
wieder
schätzen zu lernen. Ich lebe extrem gerne hier und genieße es, ich liebe
lebendige Traditionen. Und da meine ich nicht nur den Tanz um den Maibaum oder
eine Bettlhochzeit, sondern auch, dass man in meiner Heimat traditionell eine
sehr gesunde Gelassenheit hat, und im Allgemeinen auch eine große
Friedfertigkeit.
B K:
Jetzt
sind Sie ja auch als großer FC Bayern-Fan bekannt und werden hierzu auch
regelmäßig als Experte herangezogen ....
T D:
Naja, das Wort “Experte” wird da nicht von mir benutzt. Wir als Fans sind ja da
eher die “Gscheidhaferl”. Aber es stimmt, ich darf zu dem Thema Interviews
geben, aber das würde ich nicht falsch einordnen. Da geht es dann doch eher um
den Unterhaltungswert und nicht so sehr um den Gehalt meiner Aussagen.
B K:
Wäre aus Ihnen auch ein guter Fußballer geworden?
T D:
Definitiv nein. Ich spiele manchmal beim FC Sternstunden. Da sind ehemalige
Profis dabei. Also ich weiß: Nein.
B K:
Wenn Sie die Rolle in einer bayerischen Kultserie hätten spielen können,
welche wäre das gewesen?
T D:
Der Franz Xaver Bogner hätte mir eine Rolle in “Irgendwie und Sowieso” schreiben
sollen!
B K:
Herr
Darchinger ich danke Ihnen für das Gespräch.
T D:
Bitte sehr gerne.
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