Interview mit Tanja und Andreas Schmidbauer

(Cadillac Kino/München)

Nach dem Überraschungserfolg „Hinterdupfing“ aus dem Jahr 2014 ist mit „Austreten“ nun eine neue Produktion von Schmidbauer-Film, einem kleinen Familienunternehmen vom Chiemsee in den Kinos. Obwohl das Budget eher überschaubar ist, hat es das junge Team geschafft, eine vielversprechende bayerische Komödie zu verwirklichen.

Der bayerische Ministerpräsident Reitmayer spricht auf einer Pressekonferenz vom „Austreten“ tritt damit eine Lawine los. Denn jetzt beginnen Diskussionen um die Frage, ob Bayern sich tatsächlich von der Bundesrepublik abspalten soll. Um der Medien-Hetze zu entkommen, flieht Reitmayer aufs Land. Damit die bayerische Bevölkerung aber Klarheit bekommt und beruhigt werden kann, muss er wieder zurück. Also machen sich seine Kinder Kathi und Martl auf die Suche. Und das quer durch Bayern...

Gedreht wurde natürlich größtenteils im Chiemgau und auch mit einigen bekannten bayerischen Darstellern, wie
u.a. Markus Böker ("Rosenheim Cops"), Eisi Gulp, Saskia Vester, Veronika von Quast und Peter Rappenglück .

 

Bayerische Kultserien: Wie seid Ihr auf die Idee des Filmthemas gekommen?

Andreas: Wir haben uns zusammen gesessen und überlegt, welches Thema wir für unseren nächsten Film nehmen könnten. Auf ein typisch bayerisches Thema sind wir dabei immer wieder gestoßen: Die Souveränität Bayerns. Unser Gedanke war eigentlich, dass dies ganz schön ausgelutscht ist und immer nur wieder an Stammtischen ein Thema ist. Dann haben wir festgestellt, dass niemand einen Film darüber gemacht hat. In dem Bereich wurde das noch gar nicht behandelt. Da haben wir uns gesagt: "Das machen wir. Das ist unser Thema." Da Politik eher nicht unser Metier ist, wollten wir eine Komödie daraus machen und haben uns dazu eine Familiengeschichte dazu ausgedacht.

B K: In diesem Wahljahr ist das Thema ja dann tatsächlich ganz aktuell geworden. Wie weit im Voraus war die Story denn geplant?

Tanja: Wir haben nach unserem Film "Hinterdupfing" eine relativ lange Pause gemacht und uns im Sommer 2015 die ersten Gedanken zur Geschichte von "Austreten" gemacht. Wir haben dann ca. ein Jahr lang den Stoff entwickelt und das Drehbuch geschrieben. Ziemlich genau ein Jahr später, also im Sommer 2016, war der erste Drehtag.

B K: Das heißt den "Brexit" beispielsweise hattet ihr da gar nicht auf dem Schirm?

Tanja: (lacht) Den gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich. Zufälligerweise habe ich mich am ersten Drehtag mit einer Zeitung unterhalten, die dann auch den "Brexit" bei unserem Thema mit aufgenommen hat. Das ist alles in genau der ersten Drehwoche losgegangen. Das wussten wir also nicht vorher, aber es hat uns natürlich in die Karten gespielt, weil so sofort Interesse bei allen bestand.

B K: Das der Film dann zum Zeitpunkt der großen Bundestagswahl in die Kinos kommt war vorher klar?

Andreas: Ja, das haben wir geplant.

Tanja: Erst wollten wir ihn direkt zu den Wahlen herausbringen, aber dann wollten wir uns, auch wenn es kein politischer Film ist, nicht in irgendwelche Statements dazu verstricken. Deswegen haben wir gesagt um den "Tag der deutschen Einheit" ist ein guter Zeitpunkt für die Premiere.

 

B K: Ihr habt ja mit "Hinterdupfing" vor drei Jahren ja auch schon für Furore in Bayern gesorgt. Wie groß war der Unterschied beim Drehen zu eurem vorherigen Film?

Andreas: Wir haben uns schon noch mehr Aufwand gegönnt. Wir sind weiter rumgekommen und haben nicht nur bei uns im Gau gedreht, sondern zum Beispiel auch in Franken. Früher haben wir nur an den Wochenenden gedreht. Diesmal haben wir uns auch frei genommen, um auch mal drei Wochen am Stück drehen zu können. Alles war eine Nummer größer, aber wir haben uns nach jedem Drehtag gefreut, wo wir sagen konnten: "Das war der größte Drehtag bisher!". Und dann kamen immer wieder welche, die noch größer waren. (lacht)

Tanja: "Hinterdupfing" war auch so ein bisschen der Übergang zwischen Hobby und "wir schauen mal ob der Film über den Landkreis hinaus gezeigt wird". Dieses Mal wollten wir das auf jeden Fall toppen und bayernweit ins Kino kommen. Da haben wir uns also schon auch mehr Druck auferlegt. Dadurch, dass wir nun eine Nachwuchsförderung haben, hatten wir auch mehr Möglichkeiten den Film größer zu gestalten.

B K: Bei Euch ist das ganze ja quasi ein Familienbetrieb. Wir seid ihr dazu gekommen? Wer hat bei Euch den Hut auf?

Tanja: Der wechselt immer hin und her. (lacht)

Andreas: Es kommt immer darauf an in welchem Bereich. (grinst)

 

B K: Wann entstand der Wunsch Filme zu machen?

Tanja: Der Wunsch wurde uns quasi als Geschenk überreicht. (lacht) Der Andi hat zum Geburtstag eine Lego-Kamera bekommen und mit der konnte man Bild-Animationsfilme machen. Das haben wir dann auch zusammen mit unserem Cousin gemacht. Ich war zehn Jahre alt, Andi 13 und Thomas war 11. Weil wir alle auch Rosenheim Cops-Fans waren, kam auch irgendwann der Wunsch auch richtige Filme mit uns vor der Kamera entstehen zu lassen. So hat sich das mit jeden Jahr mehr gesteigert. Ein paar mehr Leute kamen dazu und andere haben auch wieder aufgehört.

B K: Das heißt, ihr habt das auch gelernt?

Tanja: Na ja. Auf der einen Seite war es "Learning by Doing", auf der anderen Seite war der Andi auf der Hochschule für Medien in Stuttgart und ich bin mittlerweile an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Aber das kam bei mir erst nach "Hinterdupfing". Wir haben uns zwar bis dahin sehr viel selber beigebracht, aber es kann ja nicht schaden, wenn man beigebracht bekommt, wie man rechtlich und wirtschaftlich an bestimmte Dinge herangeht und Projekte vorantreibt.

B K: Es ist ja trotzdem nicht der alltägliche Weg, wie man sonst Filme realisiert.

Andreas: Ganz und gar nicht. (lacht)

Tanja: Überhaupt nicht, aber es klappt, weil wir alle so ein eingeschweißtes Team sind. Sonst könnten wir viele Dinge wahrscheinlich nicht so durchziehen und selbstständig verwirklichen.

B K: Klappt augenscheinlich sehr gut, denn einen großen Unterschied zu ganz großen Produktionen sieht man nicht unbedingt. Wie schafft ihr es, die Gelder aufzutreiben?

Andreas: Ach, man benötigt gar nicht immer so viel Geld. Da wird bei anderen Filmen auch oft übertrieben. Klar sieht man hier und da, dass es billiger produziert ist, aber ich glaube man muss nur mit einer großen Leidenschaft rangehen. Vieles kann man auch mit wenig Geld umsetzen. Es kommt ja auch auf die Story an. Man muss ja nicht gleich ganz München in die Luft jagen, weil man einen Action-Blockbuster drehen will. So etwas ist bei einer bayerischen Komödie ja nicht nötig. (grinst) In unserem Fall spielt auch die Nachbarschaftshilfe eine große Rolle. Die Leute freuen sich, wenn man zu ihnen kommt und auf dem Hof dreht. Es ist ja auch eine andere Herangehensweise. Wir kommen nicht mit drei LKW's an und sagen: "Wir drehen jetzt bei euch einen Film!", sondern wir haben z.B. den Markus Böker dabei und fragen ob wir bei ihnen drehen können. "Ja klar, den kennen wir doch von den Rosenheim-Cops!". (lacht) Das ist natürlich ganz was anderes.

B K: Man kennt den Namen Schmidbauer ja wahrscheinlich auch schon bei Euch in der Gegend?

Andreas: (überlegt) Ich hoffe es. (lacht)

Tanja: "Hinterdupfing" hat schon gut dazu geholfen, dass die Leute uns gerne empfangen, wenn wir an der Tür klopfen.

B K: Apropos "Kennen". Ihr habt jetzt schon den Markus Böker angesprochen. Bei "Austreten" spielen ja zudem noch bekannte Darsteller wie Peter Rappenglück, Saskia Vester, Eisi Gulp oder Veronika von Quast mit. Wie bekommt man solche Schauspieler dazu mitzumachen?

Andreas: Einfach anfragen. (lacht)

Tanja: Oder ihnen einfach eine Rolle schreiben. (lacht) Den Markus und auch den Peter hatten wir ja bei "Hinterdupfing" zum Beispiel schon in einer Tagesrolle mit dabei. Weil die dann scheinbar auch viel Spaß hatten mit uns zu drehen und wir ihnen dann auch bei "Austreten" eine bestimmte Rolle zugedacht haben, konnten sie wohl nicht mehr nein sagen. (grinst)

B K: Sind die auch immer gleich bereit ehrenamtlich mitzuwirken?

Andreas: Das kommt darauf an. Wir hatten uns ja vorgenommen alles, was wir mit "Hinterdupfing" verdienen konnten, in unseren neuen Film zu stecken. So konnten wir, wenn auch keine volle, aber zumindest dem ein oder anderen ein bisschen Gage zahlen.

B K: Neben euch beiden besteht das Team ja noch aus mehr Leuten. Wie viel Überzeugungsarbeit müsst ihr da leisten, damit wieder jeder mitmacht?

Andreas: Die Lust einen Film zu machen hat sofort jeder. Die Zeit ist hier das größere Problem. Als wir Drehbuch zu "Austreten" ausgearbeitet hatten, war klar, dass wir da auch viel am Stück durchziehen müssen. Gerade wenn jemand wie Markus Böker zehn Drehtage hat, dann können wir nicht einfach mal spontan an einzelnen Wochenenden zusammenkommen und drehen. Das war dabei die größte Schwierigkeit. Ansonsten muss keine Überzeugungsarbeit geleistet werden.

B K: Mal angenommen jemand würde euch rein als Drehbuchschreiber engagieren?

Tanja: Wir schreiben Drehbücher und auch das Konzept drum herum um auch selber zu drehen. Da möchten wir dann auch von A bis Z dabei sein.

Andreas: Wir schreiben ja auch die Rollen auf Leute, wo wir wissen, dass wir sie dabei haben. Beim Ministerpräsidenten von "Austreten" hatten wir den Markus Böker schon vorher gefragt und wussten, er ist mit von der Partie. Sollte mal jemand dabei sein und eine Geschichte von uns so gut finden, dann muss er halt ein so genanntes "Remake" davon machen. (lacht)

B K: Ihr habt die "Rosenheim Cops" schon erwähnt, aber was war für Euch früher die größte Inspiration was Filme oder Serien angeht?

Tanja: Die "Rosenheim Cops" waren oder sind eigentlich bei uns allen beliebt.

Andreas: Hier war es ja auch so, dass die bei uns in der Gegend gedreht haben und wir quasi zuschauen konnten. Dadurch haben wir auch das Schneiden gelernt und verstanden, warum Szenen immer wieder, aber mit einer anderen Kameraeinstellung gedreht werden. Als ich dann irgendwann mal das "Making Of" von "Herr der Ringe" gesehen habe, war das auch wie eine Lehrstunde für mich.

B K: Gab es da auch bayerische Vorbilder bei den Regisseuren?

Andreas: Lustigerweise bei mir eigentlich gar nicht. Als ich meine Bachelorarbeit an der Uni über "Hintertupfing" geschrieben habe, wurde mir zwar der Achternbusch genannt, aber von dem kannte ich davor noch nichts.

Tanja: Klar kannten wir "Wer früher stirbt ist länger tot" und die anderen Rosenmüller-Filme, aber der genannte Film ist schon über zehn Jahre her und ursprünglich hatten wir uns gesagt: "Wir drehen alles, aber keine Komödien!". Und jetzt drehen wir bayerische Komödien. (lacht)

B K: Dann ist euch der Dialekt auch gar nicht so wichtig?

Tanja: Mittlerweile schon. Aber da kam eher durch Zufall, weil wir gemerkt haben, dass es funktioniert.

Andreas: Ich habe mal ganz früher mit Schulkollegen einen Kurzfilm gedreht, der beim Camgaroo-Award in München den dritten Platz belegt hat. Da kam vor allem das bayerische und die Lederhosen sehr gut an. Darauf haben wir dann einen Langfilm gemacht, der bei uns in den regionalen Kinos lief.

Tanja: Danach wollten wir technisch ein wenig auftrumpfen und haben einen historischen Kurzfilm gedreht. Der zwar auf Festivals lief, aber bei uns Daheim nicht gesehen wurde, weil dafür keiner ins Kino geht. Danach haben uns die Leute gesagt: "Geht doch wieder zu den bayerischen Kinokomödien zurück!".

Andreas: Und wir haben von den Festivals Kritik bekommen, dass unsere Leute versuchen hochdeutsch zu sprechen. (lacht) Somit waren wir überzeugt.

Tanja: So müssen wir uns nicht verstellen und machen das, was wir sind und auch können.

Andreas: Ich habe auch nichts gegen den Begriff "Heimatfilm". Im Prinzip ist es ja einer. Wir bewerben ja mit vielen Szenen schon auch den Chiemgau, weil die Landschaft im Film auch eine Rolle spielt. Wenn man wie wir vom Chiemsee kommt, dann ist man natürlich auch Heimatverliebt, auch wenn wir selber momentan in München leben. Oder gerade deswegen.

B K: Ich glaube der Begriff "Heimatfilm" ist bei Euch auch generationsbedingt gar nicht so schlimm behaftet, wie bei älteren Filmemachern, die da noch an "bayerntümmelige" Produktionen aus den 80er oder 90ern denken.

Andreas: Bayerische Filme sind für uns im Prinzip die Rosenmüller-Filme gewesen. Was anderes gab es ja auch gar nicht.

B K: Gibt es dann für Euch eine bayerische Kultserie, die Ihr gut findet?

Andreas: Kir Royal.

Tanja: Ich habe neulich zum ersten Mal "Monaco Franze" gesehen...

B K: "Neulich zum ersten Mal..."?!

Tanja: (lacht) Ich weiß, dass ist echt schlimm. Aber als ich die Serie dann bei einem Open Air gesehen habe, wusste ich, warum sie immer wieder läuft und beliebt ist.

Andreas: Wir waren bei Serien, aber darf ich einen Film auch nennen?

B K: Logisch.

Andreas: "Xaver und sein außerirdischer Freund" natürlich! (lacht)

B K: Sehr gute Wahl! Ich danke Euch für das Gespräch und wünsche Euch auch mit den nächsten Projekten so viel Erfolg.

Tanja und Andreas: Danke.

 

 

 
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