Interview mit Fabian Hinrichs

(09.09.2024)

Zum Premiere des neuen Franken-Tatorts "Trotzdem"

 

@Markus Nass

Bayerische Kultserien: Herr Hinrichs "Trotzdem" ist Ihr zehnter Franken-Tatort. Ihre Kollegen aus München hören nach dem 100. Fall auf. Das heißt, Sie haben noch 90 Fälle vor sich. Für Sie vorstellbar?

Fabian Hinrichs: Vorstellbar ja. Der Tatort bringt auch eine große Freude mit, nur haben Udo und Miro (Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec/Kommissare des Münchner Tatorts) glaube ich immer drei Fälle pro Jahr gedreht und wir nur einen. Das ist damals auch mit Bedacht so gewählt worden. Ich müsste also sozusagen drei Mal so lange leben. (lacht)

B K: Sie sind also mit einem Fall pro Jahr zufrieden?

F H: Ja. Aufgrund der Erzählstruktur könnten es auch zwei sein, aber einer ist auch in Ordnung. Ich kann da nicht klagen.

B K: Das müssen Sie nur lang genug leben. Das zehnte Jubiläum des Franken-Tatorts ist auch deswegen ein besonderes, weil es der letzte Fall mit Dagmar Manzel an Ihrer Seite ist. Welche Veränderungen bringt das mit sich?

F H: Das muss man unter zwei Gesichtspunkten betrachten. Ein Blickwinkel ist der der persönlichen Sympathie. Ich habe mich mit Dagmar sehr gut verstanden. Ein weiterer analytischer Zugriff ist aber der der erzählerischen Möglichkeiten. Es wird zwar anders werden, aber nicht unbedingt schlechter. Es gab im letzten Jahr den Film mit dem Titel "Hochamt für Toni", bei dem ich eigentlich vollkommen alleine ermittelt habe. In meinen Augen ist das ein wunderbarer Film. Das heißt aber nicht, dass ich jetzt alleine weiter mache. Im Gespräch sind viele Möglichkeiten, das werden wir dann sehen.

Bild: BR/Julia Müller

B K: Der Franken-Tatort kommt ja tatsächlich ohne überladenes Klischee aus. Das Team, inkl. Regisseur ist in vielen Fällen das Gleiche. Ist das ausschließlich ein Vorteil oder bringt das auch mal einen gewissen Schlendrian mit sich?

F H: Das ist ausschließlich ein Vorteil. Ganz klar. Die ganze Strahlkraft der Nouvelle Vague und das Leuchten von New Hollywood kam durch Leute, die einen künstlerischen Wertgedanken hatten und nicht irgendwelche Filme machen wollten, sondern Werke erschaffen. Darüber kann man vielleicht schmunzeln, aber in meinen Augen geht es ja in der Kunst darum. Das Wichtigste ist das Drehbuch und die Schauspieler. Bei den richtig guten Serien sind immer wiederkehrende Autoren beteiligt. Tiefe entsteht durch Dauer. Autoren, die sich die Figuren so zu eigen gemacht haben, sind das Ideal. Wenn man immer wieder mit Anspruch und wachem Blick zusammenarbeitet, entsteht eine Verfeinerung und kein Schlendrian. Lange Beziehungen, die lebendig bleiben, schaffen eine ganz andere Tiefe, als kurze, bei denen vielleicht nur der Look bzw. das Design eines Films verändert wird.

B K: Der Titel des neuen Falls lautet "Trotzdem", ein Wort, das ich persönlich irgendwie nicht so mag. Wie oft benutzen Sie das Wort?

F H: (lacht) Das ist interessant. Ich benutze es auch selten. (überlegt) Sie mögen es vielleicht nicht, weil das Wort "Trotz" enthalten ist?

B K: Wahrscheinlich. Das hat etwas negatives.

F H: Das stimmt. Es ist vielleicht kein beliebtes Wort. Titel sollten ja immer kraftvoll sprechen und das tut dieser schon.

B K: Ich habe gelesen, dass Sie sich als Familienmensch bezeichnen und als jemand, der gerne langfristige Bindungen zu Menschen hat. Wie gut konnten Sie sich beim neuen Fall auch in die anderen Protagonisten einfühlen?

F H: Ich war und bin nebenbei auch unbezahlter Werbeträger des Philosophie-Magazins. In einer der letzten Ausgaben gab es u.a. den Titel "Freundschaft". Dort spricht ein jüngerer französischer Philosophie-Professor davon, dass Freundschaften aufhören, sobald Menschen Kinder bekommen. Die Leute tauchten dann ab, das kennt man vielleicht auch aus seinem eigenen Freundeskreis. Er empört sich in dem Gespräch darüber, denn die Freundschaften seien doch die wirklich nahen Beziehungen im Leben und nicht das toxische Milileu der Kleinfamilie. Den Blick kann man eigentlich nur haben, wenn man keine liebevolle Familie hat. Denn Freundschaftsbeziehungen sind doch meistens eher diejenigen Beziehungen, die von einem Verwertungsgedanken getragen werden. Da geht es um "ich hör mir deins an und dann du meins", "wann verbringen wir Zeit zusammen" oder jemand hat einen interessanten Job. Das sind doch die meisten Freundschaftsverhältnisse. In der Jugend hat man gemeinsames Feiern bzw. hauptsächlich gemeinsame Interessen. In Familien aber gibt es wirkliche Nähe, bei der man im besten Falle füreinander da ist. Das kann es auch in Freundschaften geben, aber das ist dann vielleicht bei einer oder zweien so, die jeder Mensch im besten Fall hat. Wirklich füreinander da aber ist man in Familien. Deswegen bin ich ein sogenannter "Familist", was ein neues Schimpfwort ist. (lacht) Ich glaube daran, dass in Familien, die, so der wissenschaftliche Maßstab, "gut genug" sind, wahre Nähe zu spüren ist und nur manchmal in Freundschaften. Leider, aber so ist es eben. Deswegen kann ich mich in die betreffenden Figuren gut einfühlen, denke ich.

B K: Im neuen Fall wird Ihrer Figur Felix Voss geraten, dass er doch die Partei "Wie rette ich die Welt" gründen soll. Wie würde denn Felix am liebsten die Welt retten?

F H: (schmunzelt) Felix Voss denkt ja sozusagen immer singulär plural. Das heißt jeder soll seine Eigenheiten behalten. So lange diese innerhalb der vereinbarten Regeln gegenseitig respektiert werden, entsteht eine lebenswerte Gemeinschaft. Das wäre sozusagen die Weltrettung. Aber die Egoismen, die Gier und die Brutalität der Menschen schon bei der Erziehung von Kindesbeinen an, wird auch der Felix Voss nicht ändern können. Das ist ihm bewusst und deshalb ist er auch ein Melancholiker.

B K: Gab es zu Beginn bei Ihnen die Befürchtung, dass es den Franken-Tatort gar nicht so lange geben würde oder er beim Zuschauer nicht so gut funktioniert?

F H:  Nein, eigentlich gar nicht. (überlegt) Wenn ich ganz ehrlich bin, dann mache ich mir über so etwas gar keine Gedanken. Ich denke nicht sonderlich planvoll. Leider manchmal, denn ich bin z.B. überhaupt kein Geschäftsmann. Deswegen hatte ich auch nicht die Gedanken an ein "wenn wir das jetzt so oder so machen, dann..." oder "mal sehen ob das jetzt fünf Jahre so bleibt...". Es hat sich einfach richtig angefühlt und sich langsam entwickelt. Für mich sind die meisten auch ganz besondere Filme und das muss man auch erstmal so schaffen. Das liegt am Vertrauen des Senders und der Redaktion, die den gleichen Ansatz hat. Das man nicht unter seinen eigenen Ansprüchen und Möglichkeiten bleibt und auch das Potential der Zuschauer respektiert und schätzt. Ich denke das hat den fränkischen Tatort auch zu etwas Besonderem in der Reihe gemacht. Ich musste mich beispielsweise auch nie verbiegen und einen gewissen Fernseh-Ton sprechen.

B K: Das Vertrauen und Schätzen findet man ja nicht immer im deutschen Fernsehen.

F H: Wir bedienen ja trotzdem das Genre. Es sind ja die klassischen Krimi-Anteile vorhanden. Aber drunter eben kein ausschließliches produkthaftes Denken.

Bild: BR/Hager Moss Film GmbH/Bernd Schuller

B K: Sollte Felix Voss einmal nicht mehr ermitteln und aufhören, welchen Abschiedssong würde er singen?

F H: (überlegt und lacht) Darüber muss ich nachdenken. Es wäre wahrscheinlich "Clay Pigeons" ein älterer und unbekannter Country-Song in der Version von John Prine, der vor ein paar Jahren an Covid verstorben ist.

B K: Vielen Dank für das Gespräch Herr Hinrichs.

F H: Ich danke für das Interesse.

 
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