Interview mit Daniel Christensen

(06.08.2022 Gröbenzell)

Bei der Kinotour zum neuen Eberhofer-Film "Guglhupfgeschwader"

© Milos Djuric

Bayerische Kultserien: Wie der Flötzinger als Millionär auftritt können wir in „Guglhupfgeschwader“ sehen. Was aber würdest Du mit einem Lottogewinn anstellen?

Daniel Christensen: Die Frage werde ich tatsächlich jetzt öfter gefragt. (lacht) Es ist natürlich sehr kühn darauf zu antworten, weil ich glaube, wenn man einen so hohen Lottogewinn hat, dann muss man sich zurückziehen sehr gut und lange überlegen was man in Wirklichkeit damit macht. Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, dass ein schwedischer Millionär oder Milliardär 400 Quadratmeter Amazonas Regenwald von einer Holzfirma abgekauft hat. Eins kann ich zumindest sagen: Das halte ich für eine richtig gute Idee!

B K: Wann und wie merkt man, dass eine Figur, die man darstellt, zum Kult wird?

D C: Das ist wirklich eine interessante Frage. Ich habe irgendwie den Eindruck gehabt, dass ich der letzte war, der es bemerkt hat, weil man eigentlich ein bisschen davon überfallen wird. Man macht ja einfach seine Arbeit und bekommt das eher so über die Reaktionen der Öffentlichkeit mit. Der Kultfaktor des Flötzingers ist glaube ich exponentiell gestiegen mit dem Kultfaktor der Filme. „Dampfnudelblues“ war ursprünglich noch als Fernsehfilm gedacht und kam ja nur probehalber ins Kino. Aber schon mit „Winterkartoffelknödel“ und der Geschichte mit dem Flötzinger im Swingerclub und der Sache mit dem „Ferrari starten“ und solchen Dingen, war die Schallmauer gebrochen. Im Jahr darauf, bei „Schweinskopf al dente“, da war es klar und der Flötzinger nicht mehr aufzuhalten. (lacht) Da gab es unglaubliches Feedback auf den Social Media-Kanälen, T-Shirts wurden rausgebracht und die Interview-Anfragen wurden immer mehr. Ich weiß noch, wie dann über einem Interview im Focus stand: „Kultfigur Flötzinger“. Und ich dachte mir nur: „Hä? Wie bitte?“. (lacht) Ich bin davon schon ein bisschen überrascht worden.

B K: Planen kann man sowas wahrscheinlich auch schlecht. Von den Büchern zu den Filmen gibt es ja doch einen Unterschied.

D C: Also wenn man Kultrollen planen könnte, dann wäre das natürlich toll. Aber wir wussten ja nicht, dass das so einschlägt.

B K: Wie bist Du eigentlich zu der Rolle gekommen?

D C: Ich habe sie eigentlich meinem lieben, guten Kollegen Simon Schwarz zu verdanken. Ich war nämlich eigentlich für die Rolle des Rudi Birkenberger gecastet. Simon hat diesen aber beim Casting so herzzerreißend gut dargestellt, dass ich die Rolle nicht bekommen habe, aber der Regisseur Ed Herzog mich dann als Ignaz Flötzinger haben wollte. So bin ich dazu gekommen. (grinst)

B K: Du bist aber damit auch zufrieden denk ich?

D C: Ich sage immer: Dem grandiosen Simon Schwarz, habe ich die grandiose Figur Ignaz Flötzinger spielen darf. (lacht)

B K: Die nächste Frage hast Du jetzt wahrscheinlich auch schon sehr oft gehört. Wie viel von Ignaz Flötzinger steckt denn in Daniel Christensen?

D C: 20 Zentimeter. (lacht)

B K: Dann notiere ich es als „nicht viel“.

D C: (lacht immer noch) Das ist eine Ermessensfrage.

B K: Jetzt hat der Flötzi ja auch eine eigene Facebook-Seite. Betreust Du die?

D C: Die Facebook-Seite betreue ich, ja. Das habe ich mal vor vielen Jahren angefangen, muss aber gestehen, dass ich sie in letzter Zeit etwas vernachlässigt habe.

B K: Deine Eberhofer-Kollegen sind jetzt in Sachen Social Media nicht ganz so stark vertreten wie Du. Wie wichtig sind solche Präsenzen mittlerweile geworden?

D C: Sehr wichtig.

 

B K: Machst Du das auch gern?

D C: (überlegt) Manchmal ist es schon auch eine Schulaufgaben-Fleißarbeit. Ich habe es zumindest so gelernt und die Fans wollen einfach auch Plattformen, wo sie betreut und abgeholt werden. Meine Presse-Agentin würde es schon machen, aber sie meinte auch: „Die Fans spüren Deine Handschrift und die Liebe, die Du dann reinlegst.“ Es ist aber tatsächlich richtig zeitaufwendig.

B K: Wie oft wirst du denn auf der Straße als Flötzinger erkannt? Im den Filmen siehst Du ja doch etwas anders aus als jetzt.

D C: Mittlerweile werde ich natürlich öfter erkannt, aber das ist auch der Serie „Der Beischläfer“ geschuldet. Da ist der Flötzinger jetzt eher ein Anhängsel geworden. Vor allem im gesamtdeutschen Raum. In Berlin z.B. kommt es eher vor, dass die Leute sagen: „Du bist doch dieser Xaver Holzapfel von der Amazon Prime Serie!“. Am Anfang war das mit den Eberhofer-Filmen ja auch hauptsächlich eine regionale Sache. Das wurde erst nach und nach größer. Von den Kinobesuchern her ist übrigens Österreich nach Niederbayern das krasseste Kernland. Da haben wir auch eine richtig große Fan-Community.

B K: Ist so eine wiederkehrende Filmrolle auch manchmal ein Fluch statt Segen?

D C: Nein, das ist schon ein Segen. Anders als beim Theater gibt es im Filmbereich eher selten die Möglichkeit sich mit einem Ensemble über so viele Jahre richtig einzugrooven und zu verbessern. Wir arbeiten schon so lange zusammen, dass wir uns in den Figuren auch wirklich frei einbringen und improvisieren können. Das ist natürlich ein Geschenk so eng und vertraut spielen zu können. Das gibt es sonst in dem Bereich eigentlich nicht.

B K: Manchmal wird man dann vielleicht ja doch in eine bestimmte Schublade gesteckt und bekommt nur noch Rollen angeboten, die in diese Richtung gehen.

D C: Nein. Ab September läuft z.B. der neue Portugal-Krimi „Lost in Fuseta“ im Fernsehen, wo ich den bärigen und ein wenig suchtaffinen Hauptkommissar spiele. Eine ganz andere Figur. Auch im gerade gesendeten „Polizeiruf“ hat man mich in einer etwas düsteren Rolle gesehen. Bekannt geworden bin ich übrigens nicht mit dem Flötzinger, sondern mit dem Polizeiruf-Film „Schuld“ von Hans Steinbichler. Auch eine etwas dunklere, anarchische Rolle. Ich habe schon ein großes Portfolio und gottseidank überhaupt nicht das Problem, dass die Branche mich auf den Flötzinger reduziert.

B K: Welche Art Rollen spielst Du denn lieber? Die düsteren oder die lustigen?

D C: Die Abwechslung machts. Da gibt es keine Präferenzen.

B K: Weißt du wieviel Einfluss Ihr als Darsteller mittlerweile auf die neuen Romane von Rita Falk habt?

D C: Viel! Da kann ich sie ganz einfach zitieren. Am Anfang hatte sie beim Schreiben ihre Figuren vor Augen, jetzt sind es die Filmfiguren. Ich glaube das sagt alles.

B K: Gab es die markante Brille vom Ignaz Flötzinger von Beginn an, oder wie kam es dazu?

D C: Lustigerweise ist das eigentlich mehr einem Gag beziehungsweise einem Zufall geschuldet. Im Roman „Dampfnudelblues“ will der Flötzinger der Mary einen Fussel von der Bluse entfernen und reißt ihr stattdessen das Brustwarzen-Piercing raus, woraufhin sie total empört meint er bräuchte eine Brille. Deswegen sollte es im Film nur einmal einen Moment geben, in dem der Ignaz eine Brille aufsetzt. Im Kostüm wurden dann ein paar Modelle probiert und als ich diese Brille aufgesetzt und den Regisseur Ed Herzog angeguckt habe, ist der fast umgekippt und hat gemeint: „Wenn wir es schaffen diese Brille zu entspiegeln, dann ist das wahnsinnig geil. Das ist der Flötzinger!“. Was ebenfalls nicht im Roman steht und auf meinem Mist gewachsen ist, ist die Sache mit der Haartolle und dem Bart. Diesen leichten Rockabilly-Look hatte ich irgendwie im Kopf. (überlegt) Übrigens haben wir die allererste Szene, die jemals mit Ignaz Flötzinger gedreht wurde, ohne Brille begonnen. Man kam erst nach der Grills-Szene in „Dampfnudelblues“ darauf, mit Kontaktlinsen die + 6 Dioptrien der Brille auszugleichen, weil ich wirklich gar nichts gesehen habe. (lacht) Ich konnte nicht auf Sebastians Rücken springen und nicht von Stephan Zinners Grill die Bratwurst nehmen, sondern habe danebengegriffen oder bin in ihn reingerannt. Ich konnte einfach keine Entfernungen einschätzen. Erst als jemand mit den Kontaktlinsen vom Optiker zurückkam haben wir es nochmal probiert. Seitdem hat der Ignaz nie wieder diese Brille abgesetzt. (grinst)

B K: Es ist jetzt mittlerweile der achte Film aus dieser Reihe. Wenn man eine Rolle so oft spielt, wird das dann zur Routine und schleicht sich nicht auch etwas Gewohnheit ein?

D C: (überlegt) Also Gewohnheit ist immer der Feind. Da könnte ich jetzt natürlich genauso antworten, wie es vielleicht ein Fußballspieler wie Thomas Müller oder damals ein Oliver Kahn getan hätte: „Man muss sich immer aufs Neue motivieren, motivieren, motivieren!“ (lacht) Motivation zu generieren ist beim Film, wo es um den Moment geht, den Du einfängst, eine Geisteshaltung.

B K: Wenn Ihr diese Wirtshaus-Szenen dreht, die in jedem Film vorkommen, habt Ihr da wirklich so viel Spaß, oder täuscht das?

D C: Das täuscht nicht. Wir haben da beim Drehen wirklich viel Spaß. Natürlich ist es schon auch Arbeit, aber diese Wirtshaus-Szenen spielen sich mittlerweile ein bisschen wie von selbst. Da passen wir als Ensemble auch einfach sehr gut zusammen.

B K: Stimmt es, dass Du Schreiner gelernt hast?

D C: Ich habe es mal ein Jahr lang versucht, ja.

B K: Nachdem gerade die Pumuckl-Neuverfilmung gedreht wird, bei der Du ja auch beteiligt warst, wäre doch die Rolle des Schreiners etwas für Dich gewesen oder?

D C: Der wahnsinnig und unglaublich liebe und sympathische Florian Brückner spielt die Rolle des Schreiners. Um mal aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich selber bin nicht zum Casting gegangen. Meine Agentur und ich haben zu dem Zeitpunkt meiner Karriere beschlossen keine weitere durchgehende, bayerische Hauptrolle mehr zu machen. Zumindest nach dem jetzigen Stand. Wegen dem Flötzinger und auch dem Xaver Holzapfel („Der Beischläfer“) ist es gerade nicht zuträglich noch ein durchgehendes Format in einer Hauptrolle auf Bayerisch zu spielen. Ansonsten wäre ich wahnsinnig gern zu dem Casting-Aufruf gegangen. Allein schon wegen dem Rosi. (Marcus H. Rosenmüller)

B K: Jetzt hast Du ja Deinen Beruf richtig erlernt bzw studiert. Andere Kollegen bei den Eberhofer-Filmen sind ja auch Quereinsteiger. Was ist denn für Dich der beste oder richtige Weg?

D C: Es gibt keinen besten Weg. Es gibt vielleicht einen gängigen Weg. (überlegt) Ich wollte immer Theater und auch Kunst machen und bin ziemlich spät zum Film gekommen. Deswegen habe ich 22 Jahre an den großen deutschen Theatern gearbeitet und Shakespeare, Goethe, Schiller und Kleist gespielt. Da ist es schon zuträglicher, wenn Du eine Ausbildung hinter Dir hast. Es kommt immer darauf an, was man machen will. Oder in unserer Branche auch, wo man hineingerät. Ich würde aber nicht sagen, dass es DAS eine Rezept gibt.

B K: Du bist ja aus Burghausen, wohnst aber schon länger nicht mehr in Bayern.

D C: Seit ich 19 bin lebe ich nicht mehr hier.

B K: Du bist nach Berlin gezogen. Wie schön ist es für Dich, wenn Du im Dialekt spielen kannst?

D C: Sehr schön. Es ist eine sehr tiefe Variante von mir, den Heimatdialekt auszupacken. Ich habe tschechisch, dänische Wurzeln, bin aber hier aufgewachsen und habe dadurch als Kind auch bayerische gesprochen. Ich habe erst durch die Eberhofer-Reihe wieder viel Kontakt mit der bayerischen Sprache bekommen. Das war am Anfang schon eine Art „Sprung in die Vergangenheit“. Jetzt ist es mit den Jahren wieder viel mehr in mein Leben zurückgekommen.

B K: Du hast „Der Beischläfer“ schon angesprochen. Wann kommt denn hier die dritte Staffel?

D C: Gar nicht. Die Amerikaner haben uns da quasi abgesägt.

B K: Sehr schade. Das war doch eigentlich ziemlich erfolgreich, oder? Und vor allem auch nicht einfach nur wieder eine neue Polizei- oder Krimiserie.

D C: Das war megaerfolgreich, auch die zweite Staffel. Die Amerikaner haben aber eine ganz einfache Rechnung. Der Erfolg mit einer zweiten Staffel muss überproportional erfolgreich sein, damit sich eine dritte Staffel rentiert. Die war bei „Der Beischläfer“ zwar schon so hoch, dass sie sich für den deutschen Markt gerechnet hätte, aber die Amis machen dann trotzdem lieber ein neues Format.

© The Aamazing Film Company

B K: Wie siehst du denn die Entwicklung von Streaming-Portalen im Gegensatz zu analogen Fernsehproduktionen? Ist das eine gute Richtung?

D C: Es gibt vieles, dass sehr gut ist finde ich. Immer da, wo viel gemacht wird, gibt es natürlich auch viel Mist. Aber du hast es ja gerade angesprochen. Wo es im linearen Fernsehen einfach nur wieder der nächste und der übernächste Krimi produziert wird, wo dann vielleicht ein einzelner ein bisschen gegen den Strich gebürstet wird und ein Thriller daraus entsteht, bekommt man durch die Streaming-Anbieter mehr Vielfalt. Durch die Internationalisierung bekommen da auch andere Formate Platz. Und es gibt in Deutschland die Leute, die das sehen wollen. Auch im Kino und auch im linearen TV. Deswegen bin ich da sehr froh, dass das Fernsehen auch wieder beginnt andere Formate zu entwickeln. Damit kann ich gleich Werbung für „Lost in Fuseta“ machen, wo die Bestseller-Reihe verfilmt wird. Nominell gesehen ist das zwar auch ein Krimi, aber es ist eher ein Western. Staubige Straßen, coole Cops mit Sonnenbrillen, schwarzes Meer und alte portugiesische Kolonial-Architektur. Noch viel mehr Genre als früher.

(Deutsche TV-Premiere 10.09.2022 Das Erste. Deutsche Online-Premiere 09.09.2022 ARD Mediathek)

 

B K: Eine Frage natürlich zum Abschluss. Gibt  es eine bayerische Kultserie, die du selber gerne angeschaut hast?

D C: „Irgendwie und Sowieso“, „Kir Royal“, „Zur Freiheit“, „Münchner Geschichten“…. Ich habe das alles geliebt!

B K: Damit hast du auch schon sehr viel aufgezählt. Welche Rolle hättest Du am liebsten gerne selber gespielt?

D C: (wie aus der Pistole geschossen) Den Tscharlie. (grinst)

B K: Wäre eine Neuauflage wert. Vielen Dank für das Gespräch.

D C: Sehr gerne

 

 
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